Blut und Sünde
Spiegeln standen die Hocker. Sie alle waren leer.
Florence Turner ging zu ihrem Platz. Es war der letzte an der rechten Seite. Direkt neben ihr hing der Bügel an der Wand. An ihm fand sie auch ihr Kostüm.
Sie schaute in den Spiegel - und sah nichts! Trotzdem lächelte sie, als könnte sie ihr Gesicht sehen.
Dann zog sie sich aus und selbst den Slip schleuderte sie weg. Nackt stand sie hinter dem Hocker.
Sie hätte sich gern gesehen, das war nicht möglich. Trotzdem wusste sie, dass sie noch immer gut aussah.
So gut wie ein Mensch. Ihr Körper war noch immer so glatt, perfekt. Mit den hochangesetzten Brüsten, die keine Stütze nötig hatten. Vielleicht waren die Oberschenkel ein wenig zu ausladend, das machte ihr jedoch nichts aus, denn auch ihre Freunde hatten die Figur so gemocht, wie sie war.
Mit den Händen strich sie über ihren Körper hinweg und zeichnete jede Kurve nach. Es war kein Tropfen Schweiß vorhanden. Sie fror auch nicht, obwohl es in der Garderobe ziemlich kühl war. Das alles hatte sie zurückgelassen. Nur äußerlich war diese schöne junge Frau ein Mensch. Im Innern sah es anders aus. Da gehorchte sie den uralten Gesetzen und auch ihrem Meister.
Nackt setzte sie sich hin. Zwar gab der Spiegel nichts von ihr wieder, doch sie schaute hinein und griff zur Schminke. Das Gesicht malte sie sich bleich an. Schließlich sollte sie aussehen wie eine lebende Tote. Als ihr der Gedanke kam, musste sie kichern, denn auf der Bühne würde sie keine lebende Tote spielen, sie war selbst eine. Ein weißes Gesicht, blasse Brauen, aber ein Mund, dessen Lippen durch ein kräftiges Rot nachgezeichnet wurden. Er sollte die Wirkung einer exakt gemalten Wunde vermitteln, und das ›Blut‹ verteilte Florence sogar auf ihrem Gesicht. Sie tupfte es in die Nähe der Augen, die zusätzlich noch einen dunklen Rand und Schimmer erhielten.
Florence hoffte, dass ihr Make-up in Ordnung ging. Wenn nicht, war es auch nicht tragisch. Das Stück würde sowieso ganz anders ablaufen, als es im Drehbuch vorgeschrieben war.
Zum Schluß beschäftigte sich Florence mit ihren Fingernägeln. Dazu benötigte sie zwei Farben. Zum einen ein dunkles, sehr blutig wirkendes Rot, zum anderen eine Farbe, die etwas ins Lila oder Violette hineinging.
Sehr sorgfältig malte sie ihre Nägel an und lächelte dabei verzerrt. Der Anblick des roten Farbtons hatte in ihr Assoziationen geweckt, die sich zwangsläufig mit dem Blut der Menschen beschäftigten, mit ihrer Nahrung also.
Sie pustete über die Nägel hinweg und brachte noch die Geduld auf, sie trocknen zu lassen. Erst dann kümmerte sie sich um ihr Kostüm, das auf zwei Bügeln hing.
Sie spielte eine Tote, aber eine besondere. Kein schlichtes Leichenhemd, wie es vielleicht üblich gewesen wäre. Nein, ihr Outfit passte sich schon dem Stück an. Sie war eben eine besondere lebende Tote. Ein Super-Zombie. Einerseits schön und verdammt erotisch, andererseits tödlich.
Nicht nur im Stück, auch in der Realität. Das würden bald einige zu spüren bekommen.
Zuerst griff sie nach den Strümpfen. Sie waren schneeweiß und dünn. Sie endeten an den Oberschenkeln und mussten mit Strapsen gehalten werden, die an der ebenfalls weißen Korsage befestigt waren. Sie schlüpfte in den Slip, der sich wie ein Hauch auf ihre Haut schmiegte, und griff nach der Korsage. Zum Glück besaß sie nicht die zahlreichen Haken und Ösen an der Rückseite, sondern nur drei Klammern, die Florence selbst schließen konnte, weil sie einigermaßen gelenkig war.
Alles war top. Abgesehen von zwei Kleinigkeiten. Sie musste sich noch mit den Haaren beschäftigen.
Sie kämmte sie hoch. Damit sie so hielten und struppig aussahen, sprayte sie die Haare an. Jetzt würden sie ihre Form halten.
Der letzte Griff galt dem Umhang. Er stellte so etwas wie ein Leichenhemd da. Der Stoff war hauchdünn und durchsichtig, so dass ihr Körper bewundert werden konnte. Unter dem Hals band sie die Bänder zusammen und war fertig. Nur in die hochhackigen, weißen Schuhe musste sie noch hineinschlüpfen. Auch das war kein Problem.
Wäre sie normal gewesen, so hätte sie jetzt einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel werfen müssen. Bei ihr brachte das nichts, und so verließ sie sich auf ihre Schminkkunst.
Fertig. Sie strich noch einmal das Kostüm zurecht und dachte daran, dass sie recht schnell fertig geworden war. Jetzt konnte sie zur Bühne gehen.
Sie drehte sich um - und sah, dass sich in diesem Augenblick die Tür
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