Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan
denen Sie reden?«, fragte Lang.
»Nein. Was Fairchild und Keegan hatten, ist ein viel seltenerer Typus, der sogenannte tetragametische Chimärismus. Der tritt auf, wenn zwei verschiedene Eier von zwei verschiedenen Spermien befruchtet werden und zwei Zygoten produzieren.«
»Embryos.« Ryan hob warnend den Zeigefinger.
»Ja, tut mir leid. Das kommt bei zweieiigen oder nicht identischen Zwillingen vor. Die Embryos verschmelzen sehr früh in der Entwicklung und produzieren ein einziges Baby mit zwei verschiedenen Zelllinien. Ein DNS-Satz kann dann in der Niere auftauchen und ein anderer in der Bauchspeicheldrüse.«
Cotton fasste zusammen. »Also verschmolzen diese beiden Frauen, Fairchild und Keegan, mit ihrem Zwilling zu einem Baby mit einem Kuddelmuddel aus Genen von beiden Zwillingen.«
»Ja.«
»Heilige Scheiße«, sagte Lang. »Diese Leute müssen komisch aussehen.«
»Die meisten Chimären weisen keine äußerlich sichtbaren Zeichen ihres Zustands auf. Oder es sind geringfügige Eigentümlichkeiten wie verschiedene Augenfarben, uneinheitliches Haarwachstum, solche Sachen. Andere haben weniger Glück. Arzte der University von Edinburgh behandelten einen Mann, der über einen nicht herabgestiegenen Hoden geklagt hatte. Bei der Untersuchung stellte man fest, dass er einen Eierstock und einen Eileiter hatte.«
Auf dem Bildschirm fragte Schoon eben, warum man Gesichtsmaske ins Gefängnis in Long Binh gesteckt hatte.
Ryan deutete mit dem Kinn auf den Monitor. »Was hat das mit Lowery zu tun?«
»Er ist nicht Lowery.«
»Wo ist Lowery?«
»Tot in Quebec.«
»Die DNS sagt Nein.«
»Harriet Lowery war eine Chimäre. Sie hatte ein braunes und ein grünes Auge. Und Blaschko-Linien.«
Da niemand nachfragte, redete ich weiter.
»Blaschko-Linien sind V oder S oder Schleifen an spezifischen Körperteilen. Unter normalen Bedingungen sind sie unsichtbar, aber gewisse Haut- und Schleimhautkrankheiten manifestieren sich entsprechend diesen Mustern.«
»Werden dort sichtbar«, schlug Ryan vor.
»Ja.«
»Die sind wie was? Streifen?«, fragte Lang.
»Man nimmt an, dass Blaschko-Linien die Pfade der epidermischen Zellwanderung während der Fötusentwicklung darstellen. Die Sache ist die: Chimären haben sie häufig, und auf einem Foto in Piatos Album konnte ich sie auf Harriet Lowerys Brust sehen.«
»War sie krank?«
»Das weiß ich nicht. Aber sie hatte Blaschko-Linien. Und laut Plato hatte Harriet unterschiedliche Augen.«
»Wenn sie eine Chimäre war, würde das erklären, warum ihre DNS nicht zu der ihrer Söhne passte.« Ryan dachte mit.
»Genau.«
»Das heißt, der Kerl im Teich ist doch Spider.« Wieder deutete er auf den Monitor. »Heißt: Dieser Penner ist es nicht.«
»Genau.«
»Und wer ist er dann?«, fragte Lang. Ich drehte das Mannschaftsfoto um. Alle drei beugten sich darüber.
Ich tippte auf einen Jungen in der hinteren Reihe. »Das ist Spider Lowery.«
»Einverstanden«, sagte Ryan.
Ich tippte auf einen Jungen, der in der vorderen Reihe kniete. »Das ist sein Cousin.«
»O Mann«, sagte Lang. »Sie könnten Zwillinge sein«, sagte Cotton. »Wer ist das?«, fragte Ryan.
»Reggie Cumbo«, sagte ich. »Schaut euch den Mann an, der mit Schoon spricht.«
Drei Köpfe drehten sich zum Bildschirm. »Welche Farbe haben seine Augen?«
»Braun.«
»Laut Plato waren Spiders Augen grün.«
Ryan dachte die Sache zu Ende. Dann: »Du denkst, die Cousins tauschten 68 Plätze. Spider ging nach Kanada. Reggie ging nach Vietnam.«
Ich nickte. »Die Ähnlichkeit war so groß, dass sie jeden täuschen konnten, der sie nicht sehr genau kannte. Entweder tauschten sie ihre zahnärztlichen Unterlagen aus, oder Reggie entfernte sie irgendwie aus seiner Akte.«
»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, sagte Cotton.
»Ich erklär's Ihnen später«, sagte Lang.
»Warum?«, fragte mich Ryan.
»Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich wurde Spider eingezogen und wollte nicht gehen. Reggie war immer der Aggressivere und Selbstbewusstere der beiden, sagt zumindest Plato. Vielleicht wollte er zur Army, kam aber nicht rein. Er war schon ein paarmal verhaftet worden, hatte keinen Highschoolabschluss. Wenn Reggie es uns nicht sagt, erfahren wir vielleicht nie genau, warum sie es taten.«
Ryan richtete sich auf. »Wie soll das jetzt laufen?«, fragte er Lang.
»Lasst mich ihn befragen«, sagte ich. »Auf keinen Fall.«
»Ich bin Anthropologin«, argumentierte ich. »Sie sind Polizist.«
»Das war kein Witz«, sagte
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