Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan
automatisch an. Die Fifes können nicht weit weg sein. Das Signal ist schwach, aber es reicht.«
Während Ryan den Namen Fife in sein Notizbuch schrieb, schaute ich mir die Anwendungen an.
Lauter Mac-Standardprogramme. Numbers. Mail. Safari. iCal.
Laurier/Lowery hatte keine Tabellen oder Dokumente abgespeichert. Er hatte keine Kontakte ins Adressbuch, keine Termine in den Kalender eingegeben.
»Er benutzte Mailprogramm«, sagte ich. »Oder iTunes, iPhoto, iMovie, DVD.«
»Verstehe.«
Noch ein Augenverdreher. »Mal sehen, was er im Internet amüsant fand.«
Ich startete Safari und klickte mich bis zum Browser-Verlauf durch.
In den letzten zwei Wochen hatte der User recherchiert über Mulch und Düngemittel, Maishybride, Sporttauchen, Hypoxie, Giftefeu, Kupferdraht, Dachziegel, nordamerikanische Eichhörnchen, Zahnärzte in Quebec und eine Reihe von Vitaminen.
»Eine Seite mit dem Namen Robesonian.com wurde sechsmal besucht«, sagte ich.
Ryan beugte sich über mich. Er roch nach Männerschweiß und einem Duftwasser, das alle Mütter glücklich macht. Ich glaube, es war Bay Rum.
Die flachshaarige Maid spürte ein Kribbeln in den unteren Regionen. Doch sie schaffte es, konzentriert zu bleiben.
Robesonian.com war eine Online-Zeitung für Lumberton, die Bezirkshauptstadt des Robeson County in North Carolina.
»O Mann«, sagte Ryan sehr dicht an meinem Ohr.
Zurück zum Browserverlauf. Binnen weniger Augenblicke hatte ich Hinweise auf weitere aussagekräftige Online-Aktivitäten entdeckt.
Laurier/Lowery hatte Dutzende von Seiten, die für und von amerikanischen Fahnenflüchtigen der Vietnamära eingerichtet worden waren. Beiträge aus dem Archiv der CBC, der Canadian Broadcasting Corporation. Ein Bericht über ein Verweigerertreffen 2006 in Vancouver. Die Seite einer Exilgemeinde in Toronto. Ein Essay der University of British Columbia mit dem Titel Vietnam-Kriegsverweigerer in Kanada.
»Damit ist es eindeutig«, sagte Ryan. »Lowery verließ Lumberton mit dem Ziel Kanada, um dem Kriegsdienst in Vietnam zu entgehen. Und seitdem lebte er ein stinknormales Leben als Jean Laurier.«
»Stinknormal bis auf eine Marotte.« Ich deutete auf mehrere Webadressen. Liebe dich selbst und rede darüber. Mach's dir selber hart. Ramrods Selbstfesselungsseite.
»Such dir eine aus.«
Ryan deutete auf eine.
Ramrods Dlog lieferte zwei Geschichten.
Ein Baptistenpriester war tot aufgefunden worden, alleine in seinem Haus in Arkansas und bekleidet mit Taucheranzug, Gesichtsmaske, Taucherhandschuhen und Hausschuhen. Unter der Oberbekleidung trug er eine zweite, gummierte Schicht samt Strumpfhalter und gummierter Herrenunterwäsche sowie Fesselungsutensilien aus Nylon und Leder. Im Anus des Reverend steckte ein Dildo mit Kondomüberzug.
Ein Klempner aus Kansas hatte sich mit dem Ledergürtel seiner Frau an einem Duschkopf aufgehängt. Der Herr überlebte, um seine Geschichte zu erzählen. Mit allen Details.
Ramrods Seite hatte ein farbenfrohes Randfenster, das Besucher in seinen Chatroom einlud. Ryan und ich lehnten ab.
Ich klappte den Computer zu und fing eher beiläufig an, den Schreibtisch zu durchsuchen. Was brauchten wir denn noch mehr? Jean Laurier aus Hemmingford, Quebec, war eindeutig John Charles Lowery, ein Vietnamverweigerer aus Lumberton, North Carolina.
Die oberste Schublade enthielt ein Durcheinander aus Gummibändern, Büroklammern, Kulis und Bleistiften. Die obere Seitenschublade linierte Schreibblöcke, Umschläge und zwei Lesebrillen, wie man sie in jeder Drogerie kaufen kann.
Hinter mir hörte ich Ryan Sofakissen abklopfen und Schranktüren öffnen.
Die untere Seitenschublade enthielt Computerzubehör, darunter Kopfhörer, Tastaturbürsten, Kabel und Adapterstecker. Als ich sie wieder zuschob, glitt ein weißes Eck unter einem Mousepad hervor.
Ich hob das Pad an und sah ein weißes Rechteck von etwa zehn mal fünfzehn Zentimetern. Daraufstanden ein Name und ein Datum. Spider, 7. April 1967.
Ich zog das Ding heraus und drehte es um.
Der Schnappschuss war schwarz-weiß. Rissig und zerknittert, wie er war, sah er wirklich aus wie vierzig Jahre alt.
Abgebildet war ein Junge im Teenageralter, der, die Füße überkreuzt und die Arme verschränkt, an einem Chevy aus den Fünfzigern lehnte. Er hatte dunkle Haare und Augen und dichte Brauen, die den oberen Rand seiner Augenhöhlen rahmten. Er trug Jeans und ein T-Shirt mit aufgerollten Ärmeln. Sein Lächeln hätte den Staat Montana erhellen
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