Blut vergisst nicht: 13. Fall mit Tempe Brennan
Beckenform sagte, dass die Person eindeutig männlich war. Die Oberfläche einer Schambeinfugenkante deutete auf ein Alter zwischen achtzehn und fünfundzwanzig hin.
Die Schädelfragmentierung machte eine präzise Rasseneinschätzung unmöglich.
Mit behandschuhtem Finger kratzte ich an einem Schädelfragment. Unter der äußeren Kruste war die Knochenrinde schwarz und schuppig. Wieder war das vereinbar mit Johnsons Bericht über den Zustand der Leiche. Der Verstorbene war Feuer ausgesetzt gewesen, entweder während des Todes oder danach.
Außer den Sicherheitsnadeln enthielt der Sarg noch einen anderen Gegenstand, ein leeres Marmeladenglas mit einem Pulverfilm am Boden. Keine Bestattungszeichen oder Hundemarken, keine Knöpfe, Gürtelschnallen oder Rangabzeichen.
Ich machte Notizen und fotografierte.
Als ich mir schließlich sicher war, dass ich nichts übersehen hatte, wandte ich mich an Sugarman. Der Bestatter streifte frische Handschuhe über, und gemeinsam schoben wir eine blaue Plastikplane unter die Knochen. Behutsam hoben wir sie heraus und legten sie in den neuen Sarg.
Wir sahen alle zu, wie Sugarman den Sargdeckel zuklappte und verschluss und schließlich den Deckel des Transportbehälters darauflegte. Ich half ihm, die Metallschließen des Behälters zuzuschrauben.
Ich sah die ins Aluminium eingestanzten Wörter »Kopf« und »Fuß« und dachte an die Ehrenwache, die den Behälter mit einer Flagge bedecken würde, und an den Respekt, mit dem er ins Flugzeug und in den Leichenwagen geschoben werden würde.
Es war halb sechs, als ich mir schließlich die Hände wusch und die Papiere unterschrieb.
Wir verabschiedeten uns unter dem Säulengang vor dem Haus. Ich dankte Sugarman. Er dankte mir. Guipone dankte uns allen. Falls auch Beasley unsere Bemühungen zu schätzen wusste, behielt er das für sich.
Hitzebilder flimmerten über dem Parkplatz. Der Asphalt fühlte sich unter meinen Turnschuhen weich an.
Ich schaute nach links, als ich dort eine Bewegung erahnte. Fünf Buchten von meinem Mazda entfernt wurde die Fahrertür eines blauen Ford Ranger geöffnet. Eine Alarmglocke bimmelte leise, aber ich ging weiter.
Ein Mann stieg aus dem Pick-up und kam in meine Richtung. Sein Gesicht war vom Schirm einer Kappe verdeckt, doch ich erkannte den kräftigen Körperbau und die breiten Schultern. Und das T-Shirt der Atlanta Braves.
»Guten Nachmittag, Mr. Lowery.« Als ich noch drei Meter entfernt war. »Zu früh im Jahr für einen so heißen Tag.«
»Ja, Ma'am.«
»Könnte ein langer Sommer werden.«
»Ja, Ma'am.«
Über den kohlschwarzen Augen überwölbten gelbe Buchstaben in einem Doppelbogen die grüne Silhouette einer Landmasse. Korean War Veterans Forever Proud, 1950-1953. Veteranen des Koreakriegs. Stolz auf immer.
Obwohl offensichtlich war, dass Lowery auf mich gewartet hatte, sagte er nichts.
Ich war erschöpft, schmutzig und verschwitzt und sehnte mich nach Seife und Shampoo. Und einem Abendessen. Unter Idealbedingungen dauerte die Fahrt von Lumberton nach Charlotte zwei Stunden. Zu dieser Tageszeit musste ich mich auf mindestens drei einstellen.
»Wollten Sie mich etwas fragen, Sir?«
»Sagen Sie mir, was Sie in diesem Sarg gesehen haben.«
»Tut mir leid. Es ist meine Pflicht, meine Erkenntnisse für den Augenblick noch für mich zu behalten.«
Ich dachte, Lowery würde jetzt gehen. Doch er blieb einfach nur stehen. Augenblicke vergingen, dann nickte er knapp, als hätte er eben eine schwierige Entscheidung getroffen.
»Ich hab's nicht so mit Worten. Rede nicht, außer ich muss. Rede nicht, außer ich weiß, wer hört, was ich sage.«
Der alte Mann wischte sich beide Hände an seinen Jeans ab.
»O'Hare verkauft meine Sorgen, um seinen Namen in die Zeitung zu kriegen. Guipone ist ein Trottel. Die Army hat einfach nur einen Aufpasser geschickt. Ich bin kein Kirchgänger, also kann ich den Herrn nicht fragen, wer rechtschaffen ist und wer nicht. Ich kann mich nur an das halten, was mein Bauch sagt.«
Lowery schluckte. Sein Unbehagen war ein schmerzhafter Anblick.
»Ich hab gehört, was Sie auf dem Friedhof gesagt haben. Was Sie jetzt gesagt haben. Mein Bauch sagt mir, dass ich Ihnen trauen kann.«
»Vielen Dank, Sir.«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir zuhören.«
»Sollen wir in meinem Auto weiterreden?« Während ich mit der Fernbedienung meine Autotüren aufpiepste und die Klimaanlage hochdrehte, holte Lowery etwas vom Armaturenbrett seines Trucks. Als er sich auf
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