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Blut Von Deinem Blute

Titel: Blut Von Deinem Blute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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zusammengepackt hat. Der neue, teure Zeichenblock steckt in ihrem Fahrradkorb, zusammen mit der Decke, auf der sie gesessen hat.
    Ich klopfe mir den Sand von den Kleidern und folge ihr zur Straße, wo wir auf unsere Fahrräder steigen und nach Hause radeln, und als wir in die Gasse hinter dem Hotel einbiegen, ist es stockfinster.
    Vor uns ragt das Herrenhaus in den schwarzen Abendhimmel wie ein riesiges Bergmassiv, das einem den Weg abschneidet, und ich empfinde eine leise Beklemmung, als wir die Räder in den Fahrradschuppen hinter dem Haus bringen. In einem der Sträucher neben uns knackt es, eine Maus wahrscheinlich oder ein Vogel, und im erleuchteten Viereck der beiden Küchenfenster sehen wir Madame Bressons Silhouette auf und ab wandern. Sie verbringt viel Zeit in der Küche, weit mehr als im Salon, und ich überlege, ob das daran liegt, dass sie sich dort weniger beobachtet fühlt.
    Mia stößt die Hintertür auf, und ich merke an ihrer Haltung, dass etwas nicht stimmt.
    Also blicke ich über ihre Schulter und entdecke ein Gesicht im Dunkel der Diele. Ein bleiches, schwarz umrahmtes Jungengesicht mit unsteten, flackernden Brombeeraugen.
    »Hallo«, sagt Mia, und es gelingt ihr tatsächlich, diesem einen Wort einen ebenso fragenden wie vorwurfsvollen Charakter zu geben.
    Von links flattert Madame Bressons gluckenhafte Erscheinung heran. »Ach Gott«, stammelt sie, sichtlich verlegen, »ihr habt euch also schon kennengelernt? Wie schön.«
    Kennengelernt ist gut, denke ich, während Mia vor mir von einem Augenblick auf den anderen um mindestens einen Kopf wächst.
    »Was hat der hier zu suchen?«, fragt sie, ohne den Jungen in unserer Diele auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Madame Bresson räuspert sich. »Das ist Julien«, sagt sie, und ich denke zuerst, sie macht einen Witz und meint Jules, den Freund von Louisa Journeaux. Doch dann sagt sie: »Julien ist jetzt euer Bruder.«
    Wow, denke ich mit einer Mischung aus Schreck und Anerkennung, sie muss ziemlich lebensmüde sein, so was in Gegenwart meiner Schwester zu sagen. Aber irgendwie tut Mia nie das, was man von ihr erwartet. Sie geht unserer Stiefmutter nicht an die Kehle, was sie sonst bei jeder Kleinigkeit tut, selbst wenn's nur um die Wäsche oder um ein Kissen geht, das falsch liegt. Stattdessen lacht sie. Lacht laut und hysterisch, als kitzele sie jemand buchstäblich zu Tode.
    Madame Bresson lacht mit ihr, vermutlich, weil sie nicht weiß, was sie von dieser Reaktion zu halten hat. »Ich habe Pudding gemacht«, erklärt sie. »Wenn jemand Appetit hat ...«
    Mia unterbricht ihr Lachen und schaut sie an, als ob sie sagen wolle: Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?!
    Madame Bresson zuckt zurück. »Oder wir gehen rüber ins Restaurant.«
    Ich kann sie auf den Tod nicht leiden, aber ich verstehe durchaus, dass sie irgendwohin will, wo andere Leute sind. Dass sie Angst hat, mit uns allein zu bleiben. Mit der Situation. Mit meiner Schwester. Und ihr Sohn ist nun wirklich keine Hilfe. Er steht einfach nur blöd rum. Gleichgültig gegen uns. Gleichgültig gegen seine Mutter. Und arrogant bis zum Anschlag.
    Ich denke gerade, dass er schon noch lernen wird, wie man einen unerwarteten Pudding in diesem Haus zu würdigen hat, als meine Schwester urplötzlich in Bewegung gerät. Sie schlängelt sich mit ein paar schnellen Schritten an Madame Bresson vorbei in die Küche, und gleich darauf hört man einen Knall und das Klirren von Porzellan.
    Meine Augen sind noch immer auf Madame Bresson gerich tet, auf ihr Gesicht, dessen weicher Wabbel zu zittern beginnt, während sie verzweifelt versucht, die Tränen zurückzudrängen.
    Ich könnte nicht mal behaupten, dass sie bislang irgendwas gravierend falsch gemacht hätte, im Gegenteil, eigentlich bemüht sie sich andauernd darum, die Stimmung zu verbessern. Aber sie gehört nun einmal nicht hierher. Nicht zu uns. Nicht in dieses Haus. Und erst recht nicht zu unserer Familie.
    Als Mia wieder auftaucht, hat sie Schokolade am Schuh. »Du kannst dir deinen Pudding in den Arsch stecken«, zischt sie Madame Bresson zu, während sie mit bemerkenswerter Ruhe an ihr vorbei geht. »Und deinen gottverdammten Sohn gleich mit, kapiert?«
    Dann ist sie weg.
    Madame Bresson beginnt zu schluchzen.
    Aber das nehme ich nur noch am Rande wahr. Meine gesamte Aufmerksamkeit wird von ihrem Sohn absorbiert, der noch immer genau dort steht, wo er bei unserem Eintreten gestanden hat. In seinen Brombeeraugen liegt etwas, das

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