Blut Von Deinem Blute
Mordfall gestoßen war, der ihn nicht mehr los ließ ... Leon schüttelte unwillig den Kopf. Wenn Laura erfährt, dass ich hier bin, wirft sie mich ein für alle Mal und endgültig raus aus ihrem Leben, dachte er. Und damit hätte sie auch vollkommen recht!
Er beobachtete einen Vogel, der ruhig und erhaben über der Bucht kreiste. Darunter glitzerte das Meer wie flüssiges Silber, während sich der Himmel im Osten bereits vorabendlich zu verfärben begann. Leon kehrte ins Zimmer zurück, packte seinen Koffer aus und fuhr mit dem Lift in die Lobby hinunter. Das Beau Rivage verfügte neben einem imposanten vollverglasten Frühstücksraum, der sich seitlich an das Hauptgebäude anschloss, über zwei Restaurants, eine Bar sowie ein lauschiges Gartencafe, von dessen Terrasse aus man denselben grandiosen Blick über die Bucht genoss wie von Leons Zimmer. Es war um diese Uhrzeit nicht mehr allzu gut besucht, allerdings sorgte eine Gruppe kichernder Engländerinnen trotzdem für einen erheblichen Geräuschpegel.
Leon wählte einen Tisch etwas abseits und entschied sich nach einem kurzen Blick in die Speisekarte für eine Portion Cream Tea und die inseltypischen Scones mit Marmelade und Sahne. Er musste eine Weile warten, dann erschien ein rotblondes Mädchen mit nachlässig zusammengerafftem Pferdeschwanz und fragte ihn nach seinen Wünschen.
»Und?«, erkundigte sie sich, als sie wenig später mit einer Teekanne, Stövchen und einem Korb voller herrlich duftender Scones zurückkehrte. »Gefällt es Ihnen bei uns im Paradies?«
»Es ist wunderschön hier«, nickte Leon. »Auch wenn ich eigentlich noch nicht viel mehr als den Weg vom Flughafen zu Gesicht bekommen habe.«
»Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf, sehen Sie sich als Erstes die Westküste an«, erklärte die Kellnerin mit einem Akzent, den Leon zunächst nicht näher definieren konnte. »Den Leuchtturm vor Corbiere Point kennen Sie unter Garantie schon aus dem Katalog, aber der Weg dorthin lohnt sich allemal. Nur müssen Sie drauf achten, dass Sie die richtige Zeit erwischen.« Sie nahm seine Tasse und schenkte ihm Tee ein. »Wenn Sie sich nämlich verspäten, steht dort alles unter Wasser. Und nicht nur 'n paar Zentimeter, sondern richtig.«
»Ja«, sagte Leon, »ich habe gehört, dass die Wasserstände hier bei Hoch- und Niedrigwasser sehr stark differieren.«
»Und stark ist noch untertrieben«, nickte das Mädchen. »Der Unterschied beträgt bis zu zwölf Meter. Ist verdammt gefährlich, wenn man sich nicht auskennt.«
Leon blickte an ihr vorbei auf das Meer hinaus, das andiesem traumschönen Nachmittag vollkommen ruhig und harmlos wirkte. »Danke für den Tipp.«
Die Bedienung lächelte. »Sind Sie Deutscher?«
»Hört man das?«
»Oh, keine Sorge, Ihr Englisch ist wirklich gut. Aber ich bin selbst nicht von hier. Da kann man einen Akzent vielleicht besser zuordnen.«
»Woher stammen Sie?«
»Schweden.« Sie wischte sich die Hand an ihrer blütenweißen Schürze ab. »Inga Bengtson.«
Leon erwiderte ihren Händedruck. »Leon de Winter.«
»Freut mich.« Sie machte eine kurze Pause. »Übrigens hat das Hotel hier auch mal einem Deutschen gehört«, sagte sie dann, vielleicht weil sie glaubte, dass ihn das interessierte. »Muss einer von diesen Soldaten gewesen sein, die im Krieg hier auf der Insel stationiert waren.« Ihr Blick wanderte den Hang hinunter zur Strandpromenade, von der Leon wusste, dass sie von den deutschen Besatzern ursprünglich als Panzerabwehrmauer konzipiert worden war. »Von wo in Deutschland kommen Sie denn?«
»Geboren bin ich in einem gemütlichen kleinen Kaff am Bodensee«, entgegnete Leon mit einem entschuldigenden Achselzucken. »Aber ich lebe nun schon seit vielen Jahren in Frankfurt am Main.«
»Ich war als Kind mal in Hamburg«, erklärte seine Gesprächspartnerin. »War echt cool da. Viel besser als Halmstad. Vor allem größer.« Sie lachte und zeigte dann schuldbewusst auf den Korb, der neben Leons Tasse stand. »Ihre Scones werden kalt ...«
»Dann sollte ich sie wohl essen«, entgegnete Leon, indem er eilig zwei der Gebäckstücke auf seinen Teller legte.Dann fragte er so unbeteiligt wie möglich: »Und wem gehört das Hotel jetzt?«
»Tja, das ist nicht so einfach«, seufzte das Mädchen. »Die Sache mit den Zuständigkeiten, meine ich. Es gibt zwei Besitzerinnen und einen Geschäftsführer, aber der muss wegen jeder Kleinigkeit rüber und um Erlaubnis fragen.«
Leon sah hoch. »Wo rüber?«
»Ach so,
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