Blut will Blut
noch nicht gut genug.»
«Sag ihr, daß Deirdre es
liebend gern versuchen wird, Arthur», meldete sich Greg Hudson ungefragt zu
Wort. «Dann kriegt sie die Augen schon vom Boden.»
«Pssst.»
Die Stimme hinter den Kulissen
fuhr hypnotisch fort. «Komm, meine Lucy, meine Braut. Blut von meinem Blut
wirst du sein. Fleisch von meinem Fleisch. Jahre habe ich gewartet, seit dein
Bild mich das erste Mal verzaubert hat...»
«Aber, Arthur», flüsterte
Caroline Ambrose deutlich hörbar, «sieh sie dir doch nur an! Sie sollte jungfräulich wirken, meinst du nicht auch? Und nicht gierig lechzend.»
»Pssst.» Diesmal kam das
Zischen nicht von Darien, sondern von Hudson. Caroline funkelte ihn wütend über
die Schulter an.
Auf der Bühne: eine
Materialisation. Wie von Zauberhand hob sich der schwere Deckel eines
Sarkophages. Nebelschwaden quollen heraus. Eine schwarze Gestalt erhob sich,
den Rücken zum Publikum, den Umhang ausgebreitet.
Spraggue suchte nach den vertrauten
Bühnenmechanismen, richtete seinen Blick auf die Stelle direkt unterhalb des
Sarges. Sorgfältig abgeschirmt vom Blick der Zuschauer, befand sich der
hydraulische Lift und die Öffnung im Boden. Die Illusion war perfekt.
Arthur Dariens Stimme unterbrach
Spraggues Gedankengang. «Du bereitest dich jetzt besser für deinen Auftritt
vor, Caroline», sagte er.
«Was? Und den sexy Teil
verpassen?» intonierte Greg zu seinen kichernden, manierierten Anhängerinnen.
Spraggue sah, wie Caroline ihm
einen grimmigen Blick zuwarf, dann die Stufen hinaufstieg und in den Kulissen
verschwand.
Der Graf, John Langford, jetzt
majestätisch im Profil, streckte Emma die Arme entgegen. Wehrlos von ihm
angezogen und doch auch irgendwie abgestoßen, ging sie fast unwillig die Stufen
hinunter, wach und dennoch verzaubert. Die Szene war eher ein Ballett als
Theater. Die Tänzer umkreisten sich, beäugten sich hungrig. Ihre Hände
berührten sich. Als sie sich dem Ende der Treppe näherte, riß der Graf sie vom
Boden. Seine Hand streichelte ihr Haar, spielte zärtlich an ihrem Hals. Sie
sank in seinen Armen zurück, akzentuierte dabei die Linie vom langen Hals bis
zu schwellendem Busen. Der Vampir biß zu. Sie seufzte, stieß einen kleinen
Schrei aus. Behutsam legte der Graf ihren in Ohnmacht sinkenden Körper über den
Sarkophag; sorgfältig löste er den hohen Kragen ihres imaginären Hemdes.
Schwungvoll warf er den schwarzen Samt zurück und beugte sich über sie...
«Verdammt, sie ist gut!»
hauchte Georgina von hinten.
Jemand grunzte zustimmend.
Spraggue merkte, daß er von der
Handlung auf der Bühne auf eine Art gefesselt war, aus der er eigentlich
herausgewachsen zu sein geglaubt hatte. Sie standen in Flammen, die zwei. Ihre
Augen, wie sie sich packten — einige der besten Augenblicke im Theater kamen in
völliger Stille.
Der Graf strich Emmas
rotglühendes Haar zurück. Seine Hand wanderte über ihre Wange, verharrte einen
Augenblick auf ihrem Hals, streichelte ihre Brust...»
Ein angsterfüllter Schrei
hinter der Bühne zerriß schlagartig die Atmosphäre. Caroline Ambrose hatte
ihren Auftritt.
«Halt!» brüllte Darien. «Laß
ihnen mehr Zeit, Caroline! Wenn John sie auf die Bank legt, zählst du bis fünf,
besser noch bis acht, bevor du kommst. Oder noch besser, vergiß den Schrei. Das
lenkt zu sehr ab. Komm schweigend auf die Bühne. Laß uns Zeit, uns daran zu
gewöhnen, dich auch dort oben zu sehen. Beleuchtung! Richtet einen kleinen Spot
auf sie, sobald sie rauskommt. Nicht zu hell. Und dann schau dich um, Caroline.
Genau! Denk an den Nebel. Versuch, den Nebel mit deinen Blicken zu durchdringen. Du glaubst, sie zu sehen, aber sicher bist du nicht. Richtig. Deshalb
muß der Schrei auch zögernder kommen. Saubere Arbeit, John und Emma.
Noch mal ab der Bank.»
«Meinst du, der Graf braucht
einen Ersatzmann?» Spraggue war überrascht, plötzlich Greg Hudson neben sich zu
bemerken. Draculas Bräute waren fort. «Die müssen sich für die nächste Szene
fertigmachen», erklärte Hudson, «falls der Herr und Meister beschließt, ohne
Pause weiterzumachen. Wir müssen seine Launen immer voraussehen.» Hudson lehnte
sich zurück, den Blick fest auf die Bühne gerichtet. «Sie arbeiten gut
zusammen, was?»
Spraggue nickte.
«Fast, als hätte sie ausgiebig
geübt. Emma ist ein sehr emsiges kleines Mädchen.»
Spraggue sagte nichts.
«Allerdings sehe ich nicht, wie
Langford das geschafft haben könnte», fuhr Hudson grüblerisch, fast zu sich
selbst,
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