Blutaxt: Die Eingeschworenen 5 - Roman (German Edition)
den Sternen ablesen kann, was die Nornen weben werden. Ich habe auch gehört, dass es eine Blutaxt ist, Odins Tochter, aus der Zeit, als der junge Allvater noch beide Augen hatte.«
Eine Weile war es ganz still. Jeder hing seinen Gedanken nach.
» Mir gefällt das mit dem Goldmahlen am besten«, sagte Tuke, der klein und rund war und einen struppigen Zwergenbart hatte, weswegen ihn auch alle so nannten – Dverg.
» Da bin ich ganz deiner Meinung«, sagte Murrough.
» Mir gefällt die Axt besser«, fügte Halfdan hinzu, »denn ich hoffe, es ist die, die Krähenbein zum König macht, damit wir alle reich werden.«
Alle lachten. Adalbert räusperte sich.
» Cornucopia«, sagte er, und alle Augen waren auf ihn gewandt. Er spürte, wie sie ihn spöttisch ansahen, und hob trotzig den Kopf.
» Ein griechisches Horn aus den gottlosen Zeiten«, sagte er, » das ausschüttete, was immer das Herz begehrte und nie leer wurde. Mir scheint, dieses sampo ist das, was jeder von ihm erwartet – und das ist ein Werk des Teufels, der selbst Christus mit dem Versprechen aller Macht der Welt in Versuchung führen wollte.«
» Und er bekam eine Abfuhr«, sagte einer der Christenmänner leidenschaftlich und bekreuzigte sich. Krähenbein war überrascht, dass es Wermund war, einer der Slawen aus Känugard. Wieder entstand eine Pause, in der nur das Prasseln des Feuers zu hören war. Irgendwo löste sich in der aufsteigenden Wärme Schnee von den Ästen und fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden, und die Männer sahen sich nach den Wachen um.
» Er hat alle Macht der Welt abgelehnt?«, wollte Krähenbein wissen, und als Adalbert nickte, zuckte er die Schultern.
» Dann hatte er wohl das Spiel der Könige nicht recht begriffen.«
» Da gibt es kein Spiel«, erwiderte Adalbert kategorisch, » denn Gott entschied, dass die Erde von Fürsten und Königen regiert wird.«
» Tatsächlich?«, sagte Krähenbein und sah den Priester mit seinen verschiedenen Augen interessiert an. » Also war es dein Gott, der entschieden hat, wer die Nordländer regiert? Wer gegen Hakon ist, ist also gegen den weißen Christus?«
Adalbert runzelte die Stirn und steckte die Hände in die Ärmel.
» Das ist richtig – und auch wieder nicht richtig. Denn Hakon ist ein Heide. Und die Ungesalbten, die sich gegen einen gesalbten König stellen, sind nicht aufseiten der guten Christen, sondern nur auf der Seite Asgards«, erklärte er. » Und alle getauften Könige und Fürsten werden einen solchen Mann meiden – und ihn im Krieg bekämpfen.«
Krähenbeins Augen verengten sich, aber Adalbert zuckte nicht mit der Wimper.
» Du hast Mut, Priester«, sagte er langsam, » aber unverwundbar bist du auch nicht.«
Adalbert machte eine wegwerfende Handbewegung. » Wir können hier sitzen und uns gegenseitig Namen geben, bis Heimdall in sein Horn stößt, wie es bei euch heißt, aber das ändert nichts an der Sache. Du willst König von Norwegen werden, aber das wird nicht passieren, ehe du dich nicht zu Christus bekennst. Sieh dir Hakon an – er ist ein Heide, und die Welt rüstet sich, ihn vom Thron zu stoßen.«
» Hakon ist noch immer König von Norwegen«, erwiderte Krähenbein. » Er hat Leute wie dich ins Meer werfen lassen.«
» Macht ihn das deswegen zum rechtmäßigen König?«, fragte Adalbert. » Oder bist du es, wie du behauptest? Das wird Christus entscheiden, nicht die Götter Asgards. Und auch keine verwünschte Axt.«
Finnmark, Berg von Surman Suuhun
Martin
Niemand hatte Lust, sich in die rauchende Spalte zwischen den tropfenden grauen Felsen zu begeben. Aus ihr drang ein heißer Wind, der immer wieder eine Pause einlegte, worauf er jedes Mal einen Schwall Dampf ausstieß, der nach verfaulten Eiern stank.
» Surtr«, murmelte einer, und Hromund sah beklommen um sich, dann nach oben in den Schnee, der die ganze Nacht und den kurzen, grauen Tag über gefallen war. Über ihnen erhob sich die Bergspitze, von Schnee bedeckt und in Nebel gehüllt. Er gab es zwar nicht gern zu, aber der Mann hatte recht, dies war ein passender Ort für Surtr, den Feuerriesen, und seine gesamte Verwandtschaft, die aus Ymirs Achselhöhle stammte. Das war kein Ort für Menschen. Es schauerte ihn.
Martin bemerkte es, und er verzog spöttisch den Mund und zeigte seine schwarzen Zahnstummel. Dies war also der Ort, wo die Axt sich befand, und er hatte keine Hilfe erwartet. Sueno hatte gewusst, dass sie hier war, er hatte es mit seinen letzten Atemzügen
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