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Blutbahn - Palzkis sechster Fall

Blutbahn - Palzkis sechster Fall

Titel: Blutbahn - Palzkis sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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genau nach. Hat der Mann, ich meine der Teufel,
vielleicht gehinkt?«
    Beide schüttelten
nach kurzem Überlegen den Kopf. »So genau haben wir nicht hingeschaut«, meinte Protzi.
    »Okay«, beendete
ich die Befragung. »Ich bitte Sie, diese Aussagen morgen auf der Inspektion zu Protokoll
zu geben. Vielleicht fallen Ihnen bis dahin weitere Details ein.« Ich schaute Sascha
Neumann eindringlich an. »Würden Sie nun die Güte haben, mir Ihr Hobby zu zeigen?«
    Er holte tief
Luft und stand auf. »Dann kommen Sie halt mit nach oben.« Er ging zur Wendeltreppe.
    Dietmar Becker stand ebenfalls auf
und deutete mir mit einer Handbewegung: »Nach Ihnen, Herr Palzki.«
    Zweieinhalb Umdrehungen auf der
Wendeltreppe und ich befand mich in einer anderen Welt, in einer Welt Gullivers.
Der Raum war riesengroß und er wirkte noch viel größer, weil alles, was sich in
diesem Raum befand, winzig klein war. Von einer Modelleisenbahn zu sprechen, würde
der Sache nicht gerecht werden. Protzi Neumann hatte eine Landschaft gestaltet,
die man unschwer als die Rheinebene identifizieren konnte. Auf der einen Längsseite
befand sich der Pfälzerwald, auf der gegenüberliegenden Seite der Odenwald. Dazwischen
lagen die menschlichen Niederlassungen. Verbunden wurden sie durch ein Schienennetz,
auf dem zahlreiche Züge fuhren. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Die Wendeltreppe
endete dort, wo in der Realität Altrip lag. Wie auf einem Beobachtungsposten konnte
man sich nach allen Seiten drehen und die Detailtreue auf sich wirken lassen. Verschiedentlich
gab es leere Flecken, die Illusion war aber fast perfekt.
    »Da staunen Sie, Herr Palzki«, strahlte
mich Becker an. »Die Metropolregion Rhein-Neckar im exakten Maßstab. Protzi verbringt
jede freie Stunde mit seinem Hobby.«
    Neumann zeigte auf seine Kniebandagen.
»Jetzt kennen Sie den wahren Grund, warum ich die Dinger trage. Auf Knien durch
die Landschaft robben, kann ganz schön anstrengend sein.«
    »Warum machen Sie das?«
    »Warum sammelt jemand Briefmarken,
Gemälde oder alte Kloschüsseln? Didi schreibt Krimis, und irgendetwas Seltsames
machen auch Sie bestimmt in Ihrer Freizeit.«
    Ich wollte gerade erwidern, doch
er sprach weiter. »Die Landschaft war zunächst nebensächlich. Meine selbst auferlegte
Aufgabe ist, das Streckennetz der Rhein-Neckar S-Bahn detailgetreu nachzubilden.
Schauen Sie sich die roten Züge an. Wie rote Blutwürste rasen die S-Bahnen durch
die Landschaft. Sogar den Fahrplan habe ich adaptiert. Mit einem Unterschied: Bei
mir fahren alle Züge pünktlich.«
     
    *
     
    Sascha Neumann winkte uns mit einem etwas verbissen und nachdenklich
wirkenden Lächeln nach. Becker nahm dieses Mal eine andere Treppe als die, die wir
heraufgekommen waren. Oder war es doch dieselbe? Wie konnte sich in diesem Haus
nur jemand zurechtfinden? In öffentlichen Gebäuden gab es wenigstens Hinweisschilder.
Hier waren die einzigen Hilfsmittel mehr oder weniger beschriftete Türklingeln.
Gerade waren wir an einer Wohnungstür vorbeigekommen, auf deren Klingel ich die
Initialen ›K.D.‹ erkennen konnte, als von Innen die Tür geöffnet wurde. Ich schaute
in das fassungslose Gesicht meines Chefs.
    »Herr – äh, Herr Palzki, äh – was
für ein Zufall, dass Sie hier – äh, ich Sie hier antreffe«, stotterte mein blasser
Vorgesetzter in der gleichen Art und Weise, wie es normalerweise Dietmar Becker
tat. Dieser hatte das unerwartete Treffen inzwischen ebenfalls registriert. Schneller
als ich ihm zugetraut hätte, erfasste er die Situation und versuchte Vorteile daraus
zu ziehen.
    Mit einem »einen wunderschönen Sonntag,
Herr Diefenbach«, schleimte er sich bei ihm ein und reichte brav die Hand. Reflexartig
griff dieser danach und fast hatte ich den Eindruck, als müsste KPD sich für einen
Moment daran festhalten. Noch hatte ich kein einziges Wort gesagt, aber der Todesstoß
für meinen Vorgesetzten saß schon fest in meinen bösen Gedanken. Doch ich hatte
Zeit, viel Zeit. Ich ahnte eine Sensation und die wollte ich voll auskosten.
    Becker wartete immer noch auf eine
Reaktion seiner Begrüßung. Bevor die Lage peinlich zu werden drohte, hatte sich
Diefenbach wieder im Griff.
    »Das ist ja schön, Sie beide hier
anzutreffen. Besuchen Sie auch Bekannte? Ja, ja, der Sonntag bietet sich für solche
Sachen schließlich an. Ich habe mich gerade von einem Freund verabschiedet und bin
auf dem Weg nach Hause.«
    Mehr beiläufig versuchte er, hinter
seinem Rücken die Tür zuzuziehen. Mein

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