Blutbahn - Palzkis sechster Fall
Dienststellenleiter. Aber manchmal ist er etwas übereifrig
in seinen Kommentaren. Wir, die Beamten, die draußen stets erfolgreich ermitteln,
legen eher Wert auf Qualität statt auf Quantität. Und das braucht halt seine Zeit.
Aber Sie müssen keine Panik kriegen, früher oder später schnappen wir uns den Teufel.
Apropos Teufel, hat den jemand gesehen? Und können wir vielleicht wieder raus auf
den Bahnsteig gehen, dort riecht es nicht so streng.«
Säule ging
nach draußen und wir folgten ihm. Die Spurensicherung hatte inzwischen den größten
Teil des Geländes freigegeben. Die Fahrgäste hatte man auf den anderen Bahnsteig
geleitet, wo diese vom Roten Kreuz mit heißen Getränken und Suppe versorgt wurden.
»In der Tat. Es gibt sogar einen
Augenzeugen, der steht aber unter Schock. Er saß auf der Sitzbank gegenüber. Im
gleichen Moment, als die S-Bahn hielt und die Türen aufgingen, soll der verkleidete
Teufel zugestochen haben und sofort wie ein Blitz aus der Bahn gerannt sein. Andere
Gäste haben ihn den Fußgängerweg hoch stürmen sehen. Dann soll er in Richtung SAP-Arena
gerannt sein. Durch die vielen Straßenzubringer und das kleine Wäldchen ist die
Gegend recht unüberschaubar. Eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei durchkämmt
das Gebiet und ein Hubschrauber ist auch im Einsatz.«
»Gibt’s hier eine Videoüberwachung?«
Säule war sichtbar entrüstet.
»Eine Videoüberwachung? Herr Palzki,
wir sind in Baden-Württemberg und nicht in Chicago. Bei uns wird die Freiheit der
Bürger noch groß geschrieben und respektiert. Wir schnüffeln niemandem nach, indem
wir die Bürger ohne Verdacht überwachen. Das überlassen wir rückständigeren Ländern.«
Ich wollte gerade einen gehässigen
Kommentar loswerden, als ein jüngerer Beamter auf uns zugelaufen kam.
»Eine Nachricht von Zwerg Nase.«
Er gab Säule ein Blatt Papier und
ging wieder weg.
»Zwerg Nase?«, fragte Gerhard neugierig
und war damit eine Sekunde schneller als ich, »wer soll das sein?«
Säule schien die Frage peinlich
zu sein, doch nach kurzem Überlegen rückte er mit der Sprache heraus. »Zwerg Nase
nennen wir unseren Dienststellenleiter. Nun ja, dass er Bonsais züchtet, wissen
Sie bereits. Hinzu kommt, dass er im Sitzen und im Stehen gleich groß, beziehungsweise
klein ist, ein ziemlicher Zwerg eben. Als zusätzliches Erkennungszeichen muss er
seine Nase von Mike Krüger geerbt haben. Bevor ihn irgendwann mal ein Kollege auf
Zwerg Nase getauft hatte, wurde er immer mit ›Ein Mann wie ein Baum: Sein Name ist
Bonsai‹ geärgert.«
Er schaute uns ernst an. »Das muss
aber unter uns bleiben. Er ist immerhin eine Respektsperson.«
»Das geht schon in Ordnung«, beruhigte
ich ihn, »unser Dienststellenleiter ist auch eine Respektsperson. Was haben Sie
für eine Nachricht erhalten? Hat es etwas mit dieser Geschichte zu tun?«
Säule bestätigte meine Vermutung.
»Für heute Mittag wurde eine Besprechung bei Ihnen in Schifferstadt terminiert.
Die Koordination übernimmt eine gewisse Jutta Wagner, sagt Ihnen der Name etwas?«
»Klar, Frau Wagner ist zwar eine
Frau, die kriegt das aber durchaus hin«, antwortete ich todernst, während sich Gerhard
beherrschen musste, um nicht zu lachen.
»Dann ist ja alles gut, ich werde
pünktlich bei Ihnen sein und unsere bisherigen Ermittlungsergebnisse mitbringen.«
Er machte eine kurze Pause. »Äh, ich möchte nicht unverschämt klingen: Gibt es bei
Ihnen zu den Besprechungen kleine Snacks? Wenn nicht, dann würde ich vorher kurz
an einem Imbiss in Mannheim vorbeifahren.«
Säule wurde mir immer sympathischer,
oder hieß das symbadischer? Bei Gelegenheit musste ich ihn fragen, welchen Imbiss
er bevorzugt ansteuert. Es kann nie verkehrt sein, auch außerhalb von Rheinland-Pfalz
kleine Basisverpflegungsstationen zu kennen.
»Selbstverständlich, Herr Säule.
Da KPD anwesend sein wird, können Sie sich an einem exquisiten Büffet erfreuen.«
»KPD?«, hakte
Säule nach. »Ist das bei Ihnen in der Pfalz eine Dienstbezeichnung?«
»Nein, eine
Institution«, verbesserte ich ihn. Ich hatte nicht vor, ihm meinen dummen Versprecher
zu erklären. Er hakte zum Glück nicht nach.
»Eine Information
hätte ich bereits für Sie, Herr Palzki. Unsere Recherchen ergaben, dass die S-Bahn
vom gleichen Mann gefahren wurde wie im Schifferstadter Fall.«
»Wie bitte?
Dieser Pfeife, oder wie er heißt, war auch dieses Mal der Fahrzeugführer?«
»Das ist in
der Tat sehr ungewöhnlich«, meinte Säule
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