Blutbahn - Palzkis sechster Fall
Paul und Melanie gerne mal eine Stunde mit dir verschwinden. Wenn ich gemein
wäre, würde ich dich so zur Dienststelle fahren lassen. Aber glaube mir, es ist
besser, wenn du einen Abstecher ins Bad machst.«
Ohne einen überflüssigen Entschuldigungsversuch
oder eine ironische Bemerkung gehorchte ich und ging ins Bad, um meinen schokoladenverschmierten
Mund abzuwischen. Aus Erfahrung klug werden, wer hatte diesen dummen Spruch erfunden?
»Der Kaffee schmeckt köstlich«,
testierte ich nach dem ersten Schluck, um Gutwetter zu machen. Doch Stefanie ließ
meine Feststellung unbeeindruckt. Wahrscheinlich hatte sie sich damit längst abgefunden.
Ist ja auch gut so, kleinere Schwächen sollte man seinem Partner eingestehen.
Eine Viertelstunde später verabschiedete
ich mich mit den Worten: »Wenn ich rechtzeitig nach Hause komme, fange ich mit dem
Aufbau der Kinderzimmer an.«
»Dann ist ja
gut«, meinte die beste aller Ehefrauen, »bis zum nächsten Wochenende muss die Wohnung
in Ludwigshafen geräumt sein. Du weißt selbst, was noch alles herumsteht.«
Ich wusste es
nur zu genau. Unter anderem musste die gesamte Küchenzeile nebst Elektrogeräten
abgebaut und nach Schifferstadt gebracht werden. Wir waren übereingekommen, dass
wir die Teile im Keller einlagerten, was meine Bewegungsmöglichkeiten im Arbeitszimmer
weiter einengen würde.
*
KPDs Büro konnte man mit leichter Übertreibung
mit dem Thronsaal auf Schloss Neuschwanstein vergleichen. Heute herrschte ein ungewohntes
Gedränge. Das lag zum einen an den vielen Menschen, die hier standen. Hauptsächlich
war die Enge aber den vielen Tischen geschuldet, die zusätzlich herangeschafft worden
waren. Mich würde brennend interessieren, welchen Etat KPD für dieses sündhaft teure
Buffet geleert hatte. Ob er dafür EU-Gelder beantragt hatte? Zutrauen würde ich
es ihm. Eventuell hat er dies mit dem Versuch der bundeslandübergreifenden Zusammenarbeit
begründet, den man im Erfolgsfall EU-weit ausbauen könnte. Ich blickte auf die vielen
erlesenen Köstlichkeiten, von denen ich fast nichts zuordnen konnte und die wahrscheinlich
aus der gesamten Welt stammten. Ich hatte das Glück, ein stinknormales Schinkenbrötchen
in meinen Händen zu halten. KPD zeigte Donna Grün gerade seinen monumentalen Schreibtisch,
auf dem seine neueste Errungenschaft stand: ein vollelektronischer Locher mit LCD-Display,
Fernbedienung und Zählwerk. Die danebenliegende Bedienungsanleitung war dick wie
eine Gesamtausgabe des Berliner Telefonbuchs. Hauptkommissar Säule winkte mir bereits
zu, als ich zur Tür hereinkam. Zu mehr reichte es angesichts des Buffets zunächst
nicht, er schien dem Hungertod nahe oder ein Kampfesser zu sein. Da wir uns in der
Small-Talk-Phase befanden, kam mein Chef zu mir, klopfte mir ungewohnt freundschaftlich
auf den Rücken und meinte: »Wir alle setzen große Erwartungen in Sie, Herr Palzki.
Ich und die Schifferstadter Dienststelle haben in diesen Tagen die günstige Gelegenheit,
uns weit über die Region hinaus zu profilieren. Aber ich will Ihnen da keine Angst
machen, ich unterstütze Sie mit meinem Wissen. Zusammen werden wir das Kind schon
schaukeln.« Frau Grün, die jedes seiner Worte mitbekommen hatte, blieb eines der
Häppchen im Hals stecken. So sah es jedenfalls aus. KPD, der die Sachlage nicht
auf seine Rede bezog, klopfte der Dame dermaßen fest zwischen die Schulterblätter,
dass zwei undefinierbare Geschosse aus ihrem Mund knapp meinen Kopf verfehlten und
in einem Bücherregal verschwanden.
Die Bundespolizistin
starrte sprachlos vor sich hin. KPD missverstand sie weiterhin und nickte erfreut.
»Ja, Kollegin Grün, das ist der große Palzki, von dem ich Ihnen so vorgeschwärmt
habe. Sie können ihm ruhig die Hand geben, er ist trotz seiner vielfältigen Fähigkeiten
ein ganz normaler Mensch geblieben.«
Bevor er mich
in die Walhalla loben konnte, kam Jutta hinzu und bat unseren Chef um ein kurzes
Vieraugengespräch. Donna Grün sah mich lange an: »Mit dieser Kleidung hätte ich
Sie fast nicht wiedererkannt. Ich bin sehr gespannt, wie Sie diesen Fall lösen werden.«
Damit drehte sie sich ohne weitere Worte zum Buffet um.
Keine Minute später klatschte KPD
in die Hände.
»Meine Damen, meine Herren, lassen
Sie uns mit der Besprechung beginnen. Vorher können Sie selbstverständlich Ihre
Teller füllen.«
Säule setzte sich freudestrahlend
neben mich. »Mensch, ich glaub, ich lasse mich in die Pfalz versetzen. Gibt’s hier
immer so
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