Blutbahn - Palzkis sechster Fall
viel zu essen?«
»Normalerweise viel mehr. Das sind
nur die Reste von gestern.«
Seine Augen glänzten. »Wir sollten
öfters zusammenarbeiten, wenn es so tolle Sachen gibt.«
Unser Dienststellenleiter hatte
es sich nicht nehmen lassen, als einziger Teilnehmer des Sitzkreises seinen Chefsessel
zu benutzen. Wir, das Fußvolk, saßen auf gewöhnlichen Bürostühlen ohne Verstellmöglichkeiten.
Da KPD seinen Sessel gleich einem Friseurstuhl in höchste Höhen hinaufgeschraubt
hatte, konnte er mit der erzwungenen Höhendifferenz auf uns alle herabschauen.
In einer elend langen Begrüßung
stellte er sämtliche Anwesende vor: Abgesandte beider Landeskriminalämter, Donna
Grün und einen Kollegen von der Bundespolizei, Herrn Säule von der Mannheimer Kripo,
zwei weitere badische Personen, über die selbst KPD nicht so recht Bescheid wusste,
und natürlich sich selbst. Seine Mitarbeiter vorzustellen vergaß er geflissentlich.
Staatsanwalt Borgia hatte sich entschuldigt, was mir nur recht war.
Es klopfte an der Tür und Dietmar
Becker trat ein. Wegen des Menschenauflaufs kam er sofort ins Stottern. »Gu–, guten
Tag, Herr, äh, Diefenbach. Ent–, entschuldigen Sie bitte, ich, ich wusste nicht,
da–, dass Sie Besuch ha–, haben.«
Dieser Lügner, dachte ich. Ohne
rot zu werden zieht der hier eine Show ab. Vor ein paar Minuten war er noch mit
KPD zusammengehockt.
KPD war aufgestanden und zu ihm
gegangen. »Sie kommen gerade richtig, Herr Becker. Nehmen Sie doch Platz.« Er zog
aus dem Hintergrund einen weiteren Stuhl hervor. »Herr Becker ist bei uns so etwas
wie ein Polizeireporter. Auf die öffentliche Wahrnehmung legen wir in Rheinland-Pfalz
nämlich ganz besonderen Wert. Dem schlechten Image, den andere Polizeidienststellen
in aller Regel haben, setzen wir Offenheit und Ehrlichkeit entgegen. Mit hervorragendem
Ergebnis, meine Damen und Herren. Gerne kann ich bei passender Gelegenheit zu diesem
Thema referieren.«
Nachdem niemand den Auftritt Beckers
kommentierte, schaute er in Richtung Jutta.
»Frau Wagner war so nett, alle bisher
vorliegenden Zeugenbefragungen, Protokolle und Meinungen zu sammeln und aufzubereiten.
Ich beginne mit den Ergebnissen der polizeilichen Recherchen. Zwischen Willibald
Teufelsreute und Astrid Leinhäuser, geborene Teufelsreute konnten bisher keine verwandtschaftlichen
Beziehungen gefunden werden. So wie ich es dem Protokoll entnehme, konnte der Name
bisher jeweils drei Generationen zurückverfolgt werden. Das Landeskriminalamt beschäftigt
eine Fachfrau für Genealogie, dort wird die Namensgleichheit zur Stunde intensiv
geprüft.«
Ich blickte zu Säule, der sehr unkonzentriert
wirkte und dessen Teller in der Zwischenzeit leer war. Ich konnte ihn verstehen,
das Buffet roch sehr provozierend.
»Die beiden
Opfer haben neben dem Namen eine weitere Gemeinsamkeit: das Fehlen jeglicher Verwandtschaft
und nur oberflächliche soziale Kontakte. Die Kollegen aus dem Badischen haben bisher
fast nichts aus dem Leben der Astrid Leinhäuser ausfindig machen können. Bei Willibald
Teufelsreute aus Speyer –«, er legte eine kurze Pause ein, »das liegt in Rheinland-Pfalz,
konnten wir bereits seinen Arbeitsplatz ausfindig machen. Er ging kürzlich in Rente.
So weit zu Willibald.«
»Herr Diefenbach, auf der Rückseite
steht noch etwas«, unterbrach ihn Jutta.
KPD drehte das Blatt um und las.
»Ah, das ist interessant. Teufelsreute war vor vielen Jahren verheiratet. Seine
damalige Frau hat inzwischen wieder geheiratet und heißt nun Pfeiffer.« Er blickte
zu mir hinunter. »Haben Sie die Frau schon vernommen?«
»Nein, Herr Diefenbach, dazu war
bisher keine Zeit. Vielleicht hat aber Herr Säule mit ihrem Mann sprechen können?«
»Wieso mit ihrem Mann?«, fuhr mir
KPD erstaunt ins Wort. »Wurde sie etwa auch –?«
»Nein, Herr Diefenbach«, klärte
Jutta auf. »Frau Pfeiffer wurde nicht ermordet. Aber ihr Mann, Arno Pfeiffer, war
in beiden Fällen der Fahrzeugführer der S-Bahn.«
»Na, dann haben wir es ja schon!«
KPD klang begeistert. »Wir geben sofort eine Fahndung nach diesem Pfeiffer raus.
Der Kerl war wirklich raffiniert. Um den Mord am Exmann seiner Frau zu vertuschen,
bringt er einfach noch jemand zusätzlich mit dem gleichen Namen um.«
KPD drehte seinen leeren Teller
um und schlug mit der flachen Hand wie eine Trommel zweimal auf ihn ein. »Aber nicht
raffiniert genug für uns. Sie sehen, meine Damen und Herren –« Heischend nach Bestätigung
blickte er über die Runde,
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