Blutbahn - Palzkis sechster Fall
durchstecken. Irgendwie
müssen die Papiere ja zusammengehalten werden.«
»Ja, schon«, entgegnete Säule, »aber
wir machen das ganz anders.«
»Ach so.« KPD mischte sich ein.
»Eben ist bei mir der Groschen gefallen. Das können Sie nicht wissen, Frau Wagner.
Ich habe so etwas mal in Stuttgart bei der Staatsanwaltschaft gesehen, als ich dort
einen Bekannten besuchte. Geben Sie mal her.«
Er nahm Säule den Papierstapel ab
und ging zu seinem Schreibtisch.
»Ich hatte das irgendwie im Gefühl,
als ich mir diesen Locher bestellt habe. So etwas kann man immer gebrauchen, gerade
vor dem Hintergrund der bundeslandübergreifenden Zusammenarbeit. Wer weiß, vielleicht
wird diese einmal international. Dann bin ich bestens gerüstet.«
»Mit einem Locher?«, fragte Jutta
skeptisch.
»Genau. Sie haben bisher nur nichts
mit den Inkompatibilitäten der Polizeibehörden in den verschiedenen Bundesländern
zu tun gehabt.«
Er schlug das Bedienungshandbuch
auf und suchte. »Da haben wir es schon: die Badische Aktenheftung. Einstellung C427,
Markierung rot und grün.«
Er drückte ein paar Mal auf dem
Locher herum und schob danach den Papierstapel irgendwie diagonal in den Locher.
Es gab einen kleinen Knall und KPD zog befriedigt den Stapel heraus. Verwundert
staunten wir über zwei kleine Löcher, die sich im Abstand von etwa vier Zentimetern
in der linken oberen Ecke befanden.
Säule strahlte. »Ja genau, das ist
es. Da kommt noch ein Schnürle durch, dann passt es.«
Am liebsten
hätte ich Säule zum Abschied eine Tüte gegeben, damit er sich ein wenig Proviant
einpacken könnte, so sympathisch fand ich ihn inzwischen.
Jutta gab mir
durch eine diskrete Kopfbewegung zu verstehen, dass sie mir Wichtiges mitzuteilen
hatte, ohne dass es unser Vorgesetzter mitbekommen sollte.
»Wir machen
uns an die Arbeit, Herr Diefenbach«, sagte ich auch im Namen meiner Kollegen zu
KPD, der bereits mit Becker vertieft in eine Akte am Schreibtisch saß. Ich erhielt
keine Antwort. Das Gespräch mit unserem neuen Polizeireporter musste verdammt wichtig
sein.
Gemeinsam gingen wir in Juttas Büro.
Jürgen hatte sich uns angeschlossen.
Meine Kollegin übergab mir ohne
Worte einen Zettel. Erst als ich begonnen hatte zu lesen, sagte sie: »Du musst nicht
aufpassen, es waren bis eben keine Fingerabdrücke drauf.«
Es handelte
sich um einen Drohbrief. Wieder einmal. Davon hatte ich während meiner Laufbahn
schon einige bekommen. Meistens waren sie dilettantisch und nicht ernst gemeint,
zumindest, was die Konsequenzen anging. In dem vorliegenden Fall wurde mir mit nichts
Weiterem als meinem Ableben gedroht, falls ich meine Ermittlungen im Zusammenhang
mit der S-Bahn und vor allem bei der S-Bahn-Werkstatt nicht einstellen würde.
»Was meinst
du? Kommt das von diesem Schmitd?«
Ich reichte
den Brief an Gerhard weiter. »Wie hat der seinen Weg zu uns gefunden?«
»Den haben Kollegen unter ihrem
Scheibenwischer entdeckt, nachdem sie von einem kleinen Einsatz im Schulzentrum
zu ihrem Dienstwagen zurückkamen.«
»Randalierende Schüler?«
»Nein, randalierende Lehrer. Raucher
gegen Nichtraucher, der übliche Pädagogenstreit. In diesem Schuljahr gab’s bisher
aber nur Leichtverletzte.«
»Irgendwelche Zeugen?«
»Ja, dass ganze Lehrerzimmer war
voll.«
Ohne auf die Zweideutigkeit einzugehen,
antwortete ich: »Nein, ich meine wegen des Drohbriefes.«
»Ach so. Nein, niemand hat etwas
gesehen.«
»Dann werden Gerhard und ich erneut
zu diesem Schmitd mit td fahren und ihn in die Mangel nehmen. Ich habe die ganze
Zeit das ungute Gefühl, dass irgendwelche Mitarbeiter der S-Bahn mit drinhängen.
So viele Zufälle mag sich unser Polizeireporter Becker ausdenken, wenn er einen
dieser skrupellosen Kriminalromane schreibt, in der Realität halte ich nichts von
Zufälligkeiten.«
»Hast du dich immer noch nicht mit
Beckers Geschichten angefreundet?«, hakte Jutta nach. »Ich finde sie recht lustig
und spannend.«
»Ja klar«, antwortete ich angesäuert.
»Mit einem Deppen als Kommissar. Das hat nichts mit der Realität zu tun!«
»Darf ich euch möglicherweise unterbrechen?«
Das kam von Jürgen. Nanu, wurde
er langsam selbstständig? Fragend sahen wir ihn an. Er zog ein Blatt Papier aus
seiner Handakte.
»Reiner, du hast mich da um eine
Recherche gebeten.«
»Recherche, ich? Ach ja. Hast du
was rausbekommen?«
Das war eigentlich nur rhetorisch
gemeint. Wenn es etwas rauszubekommen gab, dann bekam er es heraus. Jürgen war der
Meister
Weitere Kostenlose Bücher