Blutbahn - Palzkis sechster Fall
drückte ich den Wecker aus, um Stefanie nicht zu stören und schlurfte ins
Bad. Nach dem Duschen und einem Mix-Frühstück aus diversen Sachen, die ich in der
Speisekammer und im Kühlschrank zusammenklaubte, Stefanie hätte sicherlich die Hände
über dem Kopf zusammengeschlagen, fühlte ich mich wohler.
Draußen war
es stockfinster, als ich zur Dienststelle fuhr. Es war kalt wie Harry, ich fror
wie ein Schneider.
Die Dienstwagen
meiner Kollegen standen bereits in Reih und Glied.
Ungläubig glotzte ich auf KPD, der
mir mit Dietmar Becker im Treppenhaus entgegenkam.
»Guten Morgen, Herr Palzki, so früh
schon auf den Beinen?«
Der Student nickte zur Begrüßung
und schwieg.
Ohne einen weiteren Kommentar wollten
sie an mir vorbeigehen. Ich wusste nicht, wann mein Vorgesetzter normalerweise seinen
Dienst begann. Doch eines wusste ich: Ein Student, den man um sieben Uhr morgens
antraf, war entweder auf dem Heimweg oder per se verdächtig, irgendetwas auf dem
Kerbholz zu haben. Nicht umsonst gab es den uralten Studentenwitz mit der Frage,
warum ein Student bereits um halb acht aufstehen würde. Die Antwort lautete: Um
acht machen die Geschäfte zu.
Auf meine bekannt dreiste Art fragte
ich die beiden: »Fahren Sie zusammen in Urlaub?«
Becker schaute verschämt, aber etwas
feixend zu Boden, während es meinem Vorgesetzten kurz die Sprache verschlug.
»Also, äh, Herr Palzki, wirklich,
äh, finden Sie das lustig?«
Ich hielt seinem vorwurfsvollen
Blick stand.
KPD kam näher und flüsterte mir
ins Ohr: »Ich habe Herrn Becker zum Besuch einer Gemäldeausstellung eingeladen.
Die Galerie macht heute sehr früh auf, dann ist wenig Publikumsverkehr. Bis gegen
Mittag sind wir wieder zurück. Das muss aber nicht jeder mitbekommen, ist das klar?«
»Selbstverständlich, Herr Diefenbach,
machen Sie nur. Ein bisschen Bildung wird Ihnen und Herrn Becker guttun. Wir halten
solange die Stellung.«
Dass es sich eigentlich um eine
Beleidigung handelte, bemerkte er nicht.
Als ich in Juttas Büro kam, goss
sie Gerhard und sich gerade zwei Magnumtassen des zähflüssigen Sekundentodes ein.
»Morgen, Reiner, willst du auch
einen Leichenwecker trinken?«
Ich verneinte und erblickte neben
der Kaffeekanne diverse Utensilien, die auf dem Tisch herumlagen.
»Was ist das für Zeug? Geht ihr
auf eine Fastnachtsveranstaltung?«
Jutta lächelte. »Wir nicht, aber
du. Probier mal das lustige Glatzenkäppi an.«
Sie hielt mir
ein Stück Gummi hin, das wie ein Stück überdimensionale Eierschale aussah. Ich ahnte
Übles.
»Ich glaube, ihr spinnt. Ich mache
doch für euch keinen auf Kojak!«
»Probier’s erstmal an«, meinte Gerhard.
Alleine der Gummigeruch war zum
Abgewöhnen. Das Ding stank wie die Pest. Doch die beiden hatten kein Erbarmen. Vier
Hände, die nicht mir gehörten, zerrten an dem Stück Gummi und an meiner Kopfhaut
herum.
Jutta reichte mir einen Spiegel.
»Mensch, ich sehe aus wie ein Depp«,
beschwerte ich mich.
»Dann schau dir erstmal deine Glatze
an«, lachte Gerhard.
»Haha, ich lache mich schief.«
Jutta drückte mir eine Heino-Gedächtnisbrille
auf die Nase.
»Ja, genauso hat der Pit Teufelsreute
ausgesehen«, meinte Gerhard. »Du siehst aus wie sein Zwillingsbruder. Jetzt schütten
wir dir noch eine halbe Flasche Jägermeister über die Kleider, dann stimmt’s auch
olfaktorisch.«
»Jetzt reicht’s aber«, motzte ich.
Im gleichen Moment kam ein Beamter der Schutzpolizei zur offenstehenden Tür herein,
begrüßte Jutta und Gerhard und nickte mir kurz zu.
»Wir haben heute Nacht einen Notruf
erhalten, der mit Ihren Ermittlungen zusammenhängen könnte. Sie sammeln doch Informationen
über einen Teufel?«
»Sicher«, entgegnete Jutta aufgeregt,
»hat er wieder zugeschlagen?«
»Wie man’s nimmt«, antwortete der
Beamte, »bisher aber nur telefonisch. Kurz vor Mitternacht hat sich eine Frau Ackermann
gemeldet. Eine ihr unbekannte Person habe sie mit teuflischer Stimme angerufen und
mit allem Möglichen bedroht. Sie hat nicht alles verstanden, aber sie traut sich
jetzt deswegen nicht mehr aus dem Haus. Nachher fahren ein paar Kollegen hin, vielleicht
können wir über die Telekom die Rufnummer ausfindig machen.«
»Um Frau Ackermann brauchen Sie
sich nicht weiter zu kümmern«, sagte ich. »Das ist meine Nachbarin, der geht leicht
die Fantasie durch. Ich werde mich um die Sache persönlich kümmern.«
Der Beamte starrte mich an.
»Aber –, das gibt’s doch nicht.
Das ist ja Herr Palzki! Wie
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