Blutbahn - Palzkis sechster Fall
bestürmt.
»Keine Panik, Reiner. Er lebt noch,
er scheint unglaubliches Glück gehabt zu haben.«
»Wo ist es passiert?«
»In seiner Wohnung. Genaueres weiß
ich noch nicht. Im Moment läuft da einiges durcheinander.«
Gerhard kurbelte
seine Scheibe runter und ließ das magnetische Sondersignal auf dem Dach festplobben.
Es war ein herrliches Gefühl, die stark geschwindigkeitsbeschränkte B 9 mit 120
Stundenkilometern zu befahren, also in etwa dem Tempo, das die meisten Pkws und
Lkws sowieso draufhatten.
Vor dem großen
Haus in Schifferstadt stand ein Notarztwagen, bei dessen Anblick ich freudig registrierte,
dass es sich nicht um Metzgers Mobilklinik handelte.
Das Gebäude
war von einer ganzen Horde Beamter abgeriegelt. Mehrmals mussten wir uns zu erkennen
geben, um zur Wohnung von Teufelsreute vordringen zu können. Dieser sah leichenblass
aus und saß mit einem gewaltigen Turban auf der Couch, während ein Arzt seinen Blutdruck
maß.
»Da seid ihr ja endlich«, sprach
uns Jutta an, die gerade mit weiteren Polizisten aus der Küche kam. Sie zeigte auf
den Verletzten.
»Er ist erst vor wenigen Minuten
zu sich gekommen. Ein Kollege hat ihn bewusstlos auf dem Wohnzimmerteppich liegend
aufgefunden. Der Arzt meinte, wir können kurz mit ihm reden, wenn Teufelsreute zustimmt.
Dann muss er in die Klinik. Anscheinend hat er Riesenglück gehabt. Sein Schädel
scheint, von dem immensen Blutverlust abgesehen, intakt zu sein.«
Sie zeigte auf eine gewaltige Blutlache,
die sich auf dem Teppich gebildet hatte. Eine breite Spur führte zur Wohnungstür.
Der Anblick des vielen Blutes war selbst für mich schwierig zu verkraften.
»Wieso hat der Kollege ihn in der
Wohnung gefunden?«
»Die Tür stand sperrangelweit auf«,
erklärte Jutta. »Der Täter hatte es wohl sehr eilig gehabt.«
Nachdem ich mich bei dem Arzt sicherheitshalber
erkundigt hatte, setzte ich mich auf die freie Seite neben Teufelsreute.
»Hallo«, begann ich. »Der Arzt meinte,
Sie haben Glück gehabt. Wenn die Routineuntersuchung in der Klinik nicht wider Erwarten
etwas anderes ergibt, können Sie morgen wieder heim. Fühlen Sie sich in der Lage,
mir ein paar Fragen zu beantworten? Sie wissen ja, je schneller wir uns ein Bild
der Lage machen können, desto höher ist die Chance, den Täter zu erwischen.«
Teufelsreute nickte fast unmerkbar.
Dabei liefen ein paar Tränen über seine Wangen.
»Es ging alles so schnell«, schniefte
er. »Es klingelte und ich dachte, es wäre ein Beamter. Ohne zuerst durch den Spion
zu schauen, öffnete ich die Tür und dann war es schon passiert.«
»Sie haben den Schlag direkt an
der Eingangstür verpasst bekommen?«, fragte ich überrascht. »Man hat Sie aber im
Wohnzimmer gefunden.«
Er schaute mich unsicher an. »Keine
Ahnung, wie ich da hingekommen bin. Ich kann mich nur an den Schlag erinnern, dann
wurde es sofort dunkel.«
Ich schaute zu Jutta, die interessiert
zuhörte. Das würde bedeuten, dass der Täter Teufelsreute ins Wohnzimmer geschleppt
hatte. Warum ließ er dann die Eingangstür auf? Konnte er überhaupt sicher sein,
dass sein Opfer tot war? Ich blickte auf die riesige Blutlache und war der Meinung,
dass ein Laie bei dem Blutverlust ohne Zweifel annehmen musste, dass sein Opfer
tot war.
»Haben Sie von dem Angreifer etwas
erkennen können? Gesicht, Kleidung oder irgendeine Kleinigkeit?«
Pit Teufelsreute überlegte lange,
bevor er verneinte.
»Nein. Ich kann Ihnen nicht einmal
sagen, ob Mann oder Frau, ob groß oder klein. Das ging alles viel zu schnell.«
»Danke für
Ihre Aussage. Man wird Sie jetzt ins Krankenhaus bringen.«
»Ins Krankenhaus?
Warum denn? Der Arzt hat mir gesagt, dass es nur ein Streifschlag war. Ich möchte
nicht ins Krankenhaus.«
Na prima,
mal wieder einer dieser Sturköpfe, die es besser wissen wollten als ein Arzt. Ich
stand auf und überließ die weitere Überzeugungsarbeit dem Mediziner.
An der Wohnungstür
erschien ein Polizist in Begleitung eines jüngeren Mannes.
»Dieser Mann
behauptet, er würde hier wohnen«, sagte der Beamte unbestimmt in die Wohnung hinein.
Ich ging mit Jutta zu ihm. Gerhard
war irgendwo in der Wohnung verschwunden.
»Guten Tag, würden Sie mir bitte
sagen, wer Sie sind?«
Der durchtrainierte Mittzwanziger,
der einen großen Rucksack umgeschnallt hatte, antwortete mit einer bei ihm befremdlich
wirkenden hellen Piepsstimme:
»Martin Teufelsreute, ich wohne
hier zusammen mit meinem Vater. Was ist überhaupt passiert? Man hat mir nichts
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