Blutbahn - Palzkis sechster Fall
für sämtliche Fahrgäste gewesen. Der Arzt hat mir ein Beruhigungsmittel
verschrieben, seitdem geht es mir besser.«
»Wir werden uns bei Ihrem Arzt erkundigen.
Sie müssen zugeben, dass Sie und Ihre Frau ein starkes Motiv haben.«
»Selbstverständlich haben wir das,
Herr Palzki. Deshalb haben wir uns gemeldet. Wir wollen Ihnen alle Informationen
geben, die Sie benötigen, um uns zu entlasten. Gerne können Sie auch die Prozessordner
mitnehmen. Ich hoffe, dass wir sie nicht mehr brauchen.«
»Vielen Dank, das könnte hilfreich
sein. Wir lassen sie von Kollegen abholen«, sagte ich angesichts des vermuteten
Gewichts.
»Ist Ihnen in der letzten Zeit im
Zusammenhang mit Ihrem Job etwas aufgefallen? Vielleicht ein Teufel, der regelmäßig
mitfuhr?«
Er lachte kurz auf.
»Die Fahrgäste kann ich mir nur
selten einzeln anschauen. Meistens bin ich ganz allein für den Zug verantwortlich.
Kontrolleure gibt’s nur noch ganz selten. Ausschließlich Unglücksraben werden heutzutage
noch als Schwarzfahrer erwischt.«
»Vielleicht solltest du Herrn Palzki
die Geschichte mit Sascha Neumann erzählen?«, meinte seine Frau.
»Warum das?«, herrschte er sie an.
Neumann. Da war doch etwas. Na klar,
Beckers Kommilitone hieß so.
Ich richtete meine nächste Frage
an Frau Pfeiffer: »Meinen Sie den Neumann aus Schifferstadt?«
»Siehst du«, meinte sie vorwurfsvoll
zu ihrem Mann, »die Polizei weiß längst davon.«
»Natürlich wissen wir davon«, bluffte
ich. »Sie können also mit offenen Karten spielen. Sie haben selbst gesagt, dass
Sie alles tun werden, um sich zu entlasten.«
Petra Pfeiffer hatte endlich bemerkt,
dass Gerhard, inzwischen auffällig seine leere Tasse in der Hand hielt.
»Aber was sollen die Morde mit Sascha
Neumann zu tun haben? Das ist doch etwas völlig anderes.«
Während seine
Frau meinem Kollegen Kaffee nachschenkte, erwiderte ich:
»Das festzustellen
müssen Sie, bitteschön, der Polizei überlassen. Manchmal gibt es die abstrusesten
Querverweise. Dinge, die man niemals vermuten würde, passen am Schluss wie Puzzlesteine
zusammen.«
»Okay, okay«,
beschwichtigte Pfeiffer. »Dann puzzlen Sie mal schön. Dieser Sascha Neumann hat
einen Spleen. Er hat sich vorgenommen, die komplette Linienführung der S-Bahn Rhein-Neckar
maßstabsgerecht nachzubauen. Ich habe das mal gesehen, da war er noch ziemlich am
Anfang. Einfach irre, der Kerl. Jedenfalls taucht er fast wöchentlich in der S-Bahn
Werkstatt in Ludwigshafen auf –«
»Bei Herrn Schmitd?«, unterbrach
ich ihn.
»Ja genau, bei Benno. Das ist der
Werkstattleiter, wie Sie wahrscheinlich bereits wissen. Dieser Sascha ist sehr hartnäckig,
laufend möchte er irgendwelche Interna wissen. Das geht über neue Weichen, Motorisierungen
der Züge bis hin zu Dingen, die eigentlich für die Öffentlichkeit nicht geeignet
sind.«
»Was für Dinge zum Beispiel?«
Pfeiffer lachte. »Da müssen Sie
beim Benno nachfragen. Als Fahrzeugführer erfahre ich solche Sachen in der Regel
als letztes.«
»Und wozu benötigt Neumann diese
Informationen?«
»Ist Ihnen das nicht klar, Herr
Palzki? Er ist detailversessen, wir Pfälzer nennen das Dippelschisser. Alles muss
stimmen, bis hin zur Technik der Toilettenspülung in den S-Bahnen. Da er seine Anlage
aktuell halten will, möchte er stets die weitere Entwicklung in Erfahrung bringen.
Herr Palzki, der Kerl ist völlig abgedreht, er läuft ständig mit seinen Knieschonern
herum. Ich möchte gerne wissen, ob der überhaupt zum Studieren kommt.«
Gerhard schrieb wie immer fleißig
mit.
»Das werden wir überprüfen. In welcher
Beziehung stehen Sie zu Neumann?«
»Sascha hat mich über Benno Schmitd
kennengelernt. Vor ein paar Wochen tauchte er bei uns in Frankenthal auf und fragte
allen Ernstes, ob ich bei meinen Fahrten einen GPS-Empfänger und Sender im Führerstand
montieren würde.«
Einen GPS-Sender?
In meinem Kopf begann sich alles zu drehen. Auch Gerhard horchte auf. Diesmal schien
der Fall so richtig kompliziert zu sein. Normalerweise lief es bei den Ermittlungen
immer recht linear ab. Seltsame Querverbindungen, mehrere Verdächtige mit heißen
Motiven, Zufälle, das gab’s nur in Kriminalromanen. Zum Glück hatte Dietmar Becker
dieses Mal noch keine Lunte gerochen. Oder hatte er vielleicht doch?
Pfeiffer war über meine Gedankenpause
verwundert, doch dies störte mich nicht.
»Warum verlangte er das von Ihnen?
Was wollte er damit bezwecken?«
»Detailtreue, Herr Palzki. Seine
Miniaturzüge
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