Blutbahn - Palzkis sechster Fall
zwanzig Jahren bin ich pensioniert.
Dann sitze ich den ganzen Tag vor der Glotze und trinke Jägermeister, so wie Teufelsreute.«
»Jedem das Seine«, antwortete Gerhard.
»Ich möchte im Alter aktiv und gesund bleiben. Vielleicht sogar heiraten.«
Er machte eine kleine Gedankenpause.
»Ne, doch lieber nicht. Also, das
mit dem Heiraten, mein ich.«
Ich blickte ihm auf den Kopf. »Schau
lieber zu, dass du eine kriegst, solange du noch einen Restflaum auf dem Kopf hast.«
Eigentlich wollte ich hinzufügen,
dass unsere Nachbarin vielleicht bald wieder frei sein würde, doch ich bemerkte,
dass mein Scherz über Gerhards zurückgehendes Haar nicht gut angekommen war. So
sind die Männer halt. Immer gleich eingeschnappt, wenn man mal auf ihr Äußeres anspielte.
»Komm, lass dich nicht so hängen.«
Ich versuchte, ihn aufzumuntern. »Schau dir unseren Kollegen Jürgen an. Der hat
genügend Haare auf dem Kopf und trotzdem ist die einzige Frau, die es in seiner
Nähe dauerhaft aushält, seine Mama.«
Ich bezweifelte, dass ihm dieser
Kommentar eine Lebenshilfe war. Schweigend fuhren wir den Rest der Strecke nach
Ludwigshafen zur S-Bahn-Werkstatt.
13
War er es oder war er es nicht?
Benno Schmitd empfing uns in seinem Büro. Er sah schlecht aus: fettige
Haarsträhnen, Augenringe wie schwarze Galaxielöcher und zittrige Hände. Dieser Mann
schien ein Problem zu haben. Ich vermutete, dass es auch mit unserer Anwesenheit
zu tun hatte.
»Na, Herr Schmitd, sind Sie überrascht,
dass wir schon da sind? Keine Panik, es hat alles seine Richtigkeit, wir sind mit
dem Wagen meines Kollegen Steinbeißer gekommen.«
Er reagierte nicht, sodass ich durch
meine verbale Provokation keinen Anhaltspunkt dafür fand, ihn als Urheber der Verfolgungsanlage
unter meinem Wagen zu identifizieren.
Schmitd bot uns Platz an, während
er aus seinem Schreibtisch eine Spraydose zauberte und damit, wie uns hinlänglich
bekannt, seine Frisur wieder anklebte.
»Vielen Dank, dass Sie Zeit haben.
Ich muss Ihnen etwas besonders Heikles zeigen. Ein Werkstattteam hat heute früh
per Zufall eine Entdeckung in einer S-Bahn gemacht, die zur Inspektion und Reinigung
hier ist.«
»Hat es mit den Todesfällen zu tun?«
»Ich weiß nicht, es könnte sein.
Ich habe mit viel Fantasie versucht, das Rätsel zu lösen, aber ich komme nicht weiter.«
Er stand auf, ging zu einem Spind
und holte einen Karton hervor. Er zog einen Gegenstand aus der Pappschachtel heraus,
der Gerhard und mir bekannt war.
»Das ist das Teil, das gefunden
wurde. Können Sie damit etwas anfangen?«
»Ein GPS-Empfänger und ein Sender«,
antwortete ich und Schmitd wirkte verblüfft.
»Sie kennen diesen Apparat?«
Ich nickte. »Wo genau wurde er gefunden?«
»Im Führerstand
hinter den Armaturen. Ziemlich versteckt. Nur durch Zufall wurde das Gerät gefunden.«
Ich besah es mir und kam zu dem
Schluss, dass es sich um das gleiche Modell handelte, wie das, das unter meinem
Wagen hing. Hat Arno Pfeiffer gelogen und mittels Beckers Studienkollegen Neumann
für ein paar Nebeneinkünfte gesorgt? Oder hat Sascha Neumann einen anderen Fahrer
gefunden? Egal, das würde sich herausfinden lassen. Zuerst mussten andere Dinge
geklärt werden.
»Hat der Kasten irgendwelche Brisanz?
Die S-Bahn fährt auf einem festen Gleis. Da sind die Koordinaten bekannt. Eine Entführung
dürfte ziemlich unwahrscheinlich sein.«
»Sie haben recht, Herr Palzki«,
antwortete Schmitd. »Der Apparat ist, streng genommen, überflüssig. Sämtliche S-Bahnen
haben offizielle GPS-Empfänger an Bord und der jeweilige Standort ist in der Leitzentrale
jederzeit bis auf fünf Meter genau abrufbar. Aber gerade deswegen ist dieser Fund
brisant.«
»Und wieso?«, fragte ich nach.
»Weil er unnötig ist, genau deswegen.«
Ich dachte nach. »Dann hat jemand
den Kasten versteckt, der dies nicht wusste oder die Frequenzen des Senders nicht
kennt.«
»Und wer soll das sein?« Schmitd
fiel mir ungehalten ins Wort. »In die Führerhauskabine kommen nur die Fahrzeugführer
und das Werkstattpersonal. Dass wir mit GPS arbeiten, weiß jeder. Das ist kein Geheimnis.
Ich gebe zu, dass ab und an aus Sicherheitsgründen die Frequenz der Sender verändert
wird. Aber für einen Spezialisten dürfte es kein größeres Problem darstellen, dies
herauszufinden.«
»Reinigungskräfte?« Ich war hartnäckig.
»Natürlich werden jeden Tag Putzkolonnen
durch die Züge gejagt. Wenn von denen aber jemand anfangen würde, die
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