Blutbahn - Palzkis sechster Fall
klopfte an der Tür und Dietmar
Becker trat ein.
»Guten Tag, die Herren, hallo, Frau
Wagner«, begrüßte er uns. »Darf ich Sie einen Moment stören?«
»Setzen Sie sich doch«, forderte
ich ihn auf. »Vermisst Sie KP –, äh, Herr Diefenbach nicht?«
Der Student zog eine missmutige
Schnute. »Langsam habe ich genug von KPD.«
Oha, Becker
kannte inzwischen den Spitznamen unseres Chefs.
»Den ganzen
Tag hetzt der mich von einem Museum zum nächsten. So viele Artikel kann ich überhaupt
nicht in den Zeitungen unterbringen. Und dann zwischendurch immer seine exquisiten
Mahlzeiten. So ein was-weiß-ich-wieviele-Gänge-Menü dauert bei ihm jedes Mal über
zwei Stunden. Ich komme zu nichts Anderem mehr. Bitte helfen Sie mir, ihn loszuwerden.«
»Und was glauben
Sie, was wir seit Monaten versuchen?«
Allerdings
bezog ich meine Frage auf das Loswerden an sich und nicht auf Becker. Das musste
ich ihm aber wirklich nicht auf die Nase binden.
Er nickte dankbar.
»Wissen Sie, Herr Palzki, von Ihnen bekam ich früher die Informationen immer kompakt
und direkt nutzbar. Bei Ihrem Chef ist das immer so eine ausschweifende Angelegenheit.
Vielleicht sollte man KPD einen Betreuer zur Seite stellen, zum Beispiel einen,
der ein freiwilliges soziales Jahr macht.«
»Schon mal
was von den Genfer Konventionen gehört, Herr Becker? Sie können doch einem jungen
unschuldigen Kerl nicht solch eine Folter zumuten. Da könnte er sich gleich für
einen Auslandseinsatz in Afghanistan oder Baden-Württemberg verpflichten.«
Jutta, Gerhard und Jürgen amüsierten
sich königlich über unseren Dialog.
»Sie haben ja recht, aber Ihr Chef
ist sehr anstrengend. Aber es gibt einen wichtigeren Grund, warum ich Sie aufsuche.«
»Hunger auf was Normales?«, fragte
ich spontan und reichte ihm die Keksdose rüber.
Er griff mit einem Lächeln zu. »Wissen
Ihre Kollegen Bescheid?«
Unsicher schaute er mich an, doch
Jutta hatte bereits Lunte gerochen.
»Ich wusste doch, dass da etwas
nicht stimmt. KPD füttert uns mit den teuersten Keksen, die es gibt, wirft mit Kaffeepaketen
um sich, ist freundlich, lobt uns und insbesondere dich, Reiner. Was ist passiert?«
Becker zog die Schultern hoch, so
als wollte er sich einigeln und unsichtbar machen.
»Jaaaa«, begann
ich gedehnt zögernd. »Da gibt’s eine Kleinigkeit, die wollte ich euch längst erzählen.
Aber ihr wisst ja, dauernd kommt zurzeit etwas dazwischen.«
Ich stopfte mir eine Handvoll Kekse
in den Mund, um etwas Zeit zu gewinnen und meine Gedanken sortieren zu können.
Meine drei Kollegen füllten in der
Zwischenzeit ihre Tassen.
Was blieb mir anders übrig, als
alles zu erzählen? Überfällig war es sowieso gewesen. Sie staunten, als ich die
Geschichte von der zufällig entdeckten Gemäldegalerie und ihrem Besitzer erzählte.
Ich ließ nichts aus und betonte dabei mehrfach, wie hässlich mir die meisten der
Bilder vorgekommen waren. Becker nickte die ganze Zeit wie ein Wackeldackel.
Als ich fertig war und in die perplexen
Gesichter blickte, ergänzte Becker meinen Vortrag.
»Die meisten Gemälde sind gar nicht
so hässlich, wie Sie meinen, Herr Palzki. Die Landschaftsbilder und auch der Raum
mit den Stillleben sind sehr schön gelungen. Hier hat Ihr Vorgesetzter einen guten
Geschmack bewiesen. Anders als die Sachen, die in dieser Region in so manchem Museum
hängen. Gerade heute Morgen habe ich eine Wandteppichsammlung mit röhrenden Hirschen
begutachten müssen.«
Er schüttelte sich.
»Jetzt verstehe ich, warum dir KPD
aus den Händen frisst«, sagte Jutta zu mir. »Warum hast du uns das nicht früher
gesagt?«
Gerhard schien ebenfalls seine Sprache
wiedergefunden zu haben. »Vielleicht bekommen wir jetzt endlich unseren Fitnessraum
im Keller.«
»Den brauchst du im Moment nicht,
mein Freund. Später müssen wir in Ludwigshafen die Küche von Stefanie abbauen und
nach Schifferstadt bringen. Das dürfte genügend Training sein. Doch lassen wir zunächst
Herrn Becker ausreden. Er hat uns schließlich etwas Besonderes angekündigt.«
»Darauf können Sie wetten«, sagte
dieser und bediente sich erneut bei den Keksen. »Die schmecken wirklich ausgezeichnet,
fast so gut wie die bei Protzi.«
»Jetzt machen Sie es mal nicht so
spannend, Herr Becker. Sie sind nicht am Krimischreiben.«
Fast wäre mir herausgerutscht, dass
Sascha Neumann morgen auf meiner Agenda stand. Doch es dürfte besser sein, diese
Information für mich zu behalten.
»Es geht um die Bilder in KPDs
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