Blutbahn - Palzkis sechster Fall
werden.«
Gerhard und ich verabschiedeten
uns. Kaum hatten wir sein Büro verlassen, wurden wir fast von einem Rollwagen überfahren,
der gefährlich hoch beladen war. Erst auf den zweiten Blick konnten wir einen Mann
mit extremer Wampe erkennen, der offensichtlich für den Warentransport verantwortlich
war.
»Wu kummten dess ganze Cola hie?«,
fragte er mit einer Stimme, die durch seinen tiefgelegten Resonanzkörper wie ein
Nebelhorn klang.
Bei Schmitd sah ich förmlich das
Cola im Mund zusammenlaufen. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Weg.« Er blickte kurz
zu uns. »Sie finden bestimmt alleine aus der Halle raus?«
»Immer geradeaus, schätze ich.«
Auf der Rückfahrt sprach mich Gerhard
an.
»Irgendwie krieg ich’s nicht zusammen.
Erst der Sender unter deinem Wagen, jetzt in der S-Bahn. Warum sollte dies der Neumann
tun? Glaubst du, dass er der Teufel ist?«
Ich schüttelte
den Kopf. »Neumann hat ein Alibi, und zwar unseren Polizeireporter. Wir müssen unseren
Kopf freibekommen. Wahrscheinlich vermischen sich da zwei Dinge, die nichts miteinander
zu tun haben.«
»Und wenn Becker mit drinsteckt?
Oder seinem Freund ein falsches Alibi gegeben hat?«
»Glaub ich nicht. Du weißt selbst,
dass dieser Student nicht lügen kann. Der wird dabei sofort rot.«
»Und was wollen wir jetzt machen?«
»Morgen fahren wir noch mal zu Neumann.
Dann wird er Farbe bekennen müssen.«
»Oder auch nicht«, antwortete Gerhard,
während er auf den Hof der Dienststelle fuhr.
»Nanu, wie kommt mein Wagen hierher?«,
rief ich erstaunt. »Der müsste doch in Neustadt stehen.«
»Ist doch egal«, winkte mein Kollege
ab. »Du lässt deinen Wagen ja überall herumstehen.«
In Juttas Büro erwartete mich eine
weitere Hiobsbotschaft.
»Da seid ihr ja endlich. Was braucht
ihr immer so lange?«
Sie hob eine Kanne Kaffee in die
Luft. »So etwas habe ich noch nie erlebt. Vorhin war KPD hier. Ich wollte die Gelegenheit
wahrnehmen und ihm von unserer schwindenden Kaffeereserve erzählen. Doch bereits
nach ein paar Worten unterbrach er mich mit erschütternden Worten: ›Frau Wagner,
Sie haben ja fast keinen Kaffee mehr. So geht das nicht. Ich bin für das Wohl von
Herrn Palzki und seinen Mitarbeitern verantwortlich. Und dann muss ich sehen, dass
Sie billigen Discounterkaffee trinken. Einen kleinen Moment bitte, ich bin gleich
wieder da‹. So war es, wirklich. Und keine drei Minuten später drückte er mir ein
Fünfkilogrammpaket Gourmetkaffee in die Hand. Und in Zukunft soll ich, bitteschön,
eine Woche vorher Bescheid sagen, weil er den Kaffee immer erst einfliegen lassen
muss, damit er schön frisch ist.«
Jürgen musste wieder seinem heimlichen
Schwarm treuherzig beistehen. »Sie sagt dieses Mal die Wahrheit. Genauso hat es
sich zugetragen. Ich bin Zeuge.«
Für seine unbeabsichtigte Zweideutigkeit
erhielt er von Jutta einen strafenden Blick.
Gerhard goss sich mit sichtlichem
Vergnügen eine Tasse ein.
Ich hatte genug von diesem Kaffeethema.
Die Angelegenheit KPD brauchte dringend Aufklärung, spätestens morgen würde ich
es meinen Kollegen erzählen.
»Warum steht mein Wagen im Hof,
Jutta?«
Jutta lachte und Jürgen fiel pflichtbewusst
mit ein.
»Er wurde abgeschleppt, Reiner.«
»Ja, ich weiß, gestern. Ich möchte
aber wissen, warum er jetzt im Hof steht.«
»Weil er abgeschleppt wurde.«
»Schon wieder? Warum denn? Er war
doch fahrbereit. Meines Wissens war auch der TÜV noch gültig. Haben die Spurensicherer
etwas kaputtgemacht?«
»Nein, du hast nur die Parkzeit
überschritten. Zwei Stunden wären erlaubt gewesen, fünf waren definitiv zu viel.«
»Was soll das? Ich musste ihn stehen
lassen, weil die Spusi nicht fertig war.«
»Stell dich nicht so an, Reiner.
Ich gebe dir ja dieses Mal keine Schuld. Irgendwann waren die Beamten halt fertig
und sind gegangen. Eine übereifrige Politesse hat später den Abschleppwagen gerufen.
Bei der Überprüfung der Halteradresse ist man schließlich auf uns gestoßen. So konnte
ich wenigstens verhindern, dass dein Wagen irgendwo zu einem schwer aufzufindenden
Platz in Neustadt gebracht wurde, sondern zu uns in den Hof.«
»Dann ist ja alles in Ordnung. Mehr
wollte ich gar nicht wissen.«
»Ein kleines Problem gibt es, Kollege.
Das Abschleppunternehmen wird dir eine Rechnung schicken. Irgendwer muss schließlich
die Transportkosten bezahlen.«
Gerhard grinste über seine Tasse
hinweg und Jürgen blickte aus dem Fenster, damit ich seine vibrierende Mimik nicht
sah.
Es
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