Blutbeichte
zweiundzwanzig. Er hinterlässt keine Spuren. Seine Angriffe zeugen von ungeheurer Wut, bei der er offenbar die Kontrolle über sich selbst verliert.« Maller hielt kurz inne und fuhr dann fort:
»Denkt genau über die Tatorte nach. Mörder vereinfachen sich die Sache meist, indem sie in einer Gegend operieren, die ihnen vertraut ist. Deshalb sollten wir nach jemandem suchen, der in der Upper West Side lebt oder dort aufgewachsen ist. Dasselbe gilt für SoHo.«
»Okay. Danke. Fällt dir etwas dazu ein, ob es Sexualmorde gewesen sein könnten? Du weißt ja, alle Opfer waren nackt.«
»Ja. Und das ist seltsam. Es scheint eher so, als wollte der Täter seine Opfer demütigen oder seine Macht über sie beweisen. Es würde mich wundern, wenn die Morde tatsächlich sexuell motiviert gewesen wären. Aber wie heißt es so schön: Garantie gibt’s im Leben nie.«
»Stimmt.«
»Wenn du noch was brauchst …«
»Melde ich mich.«
Als Joe nach Hause kam, saß Anna in der Küche an der Esstheke. Vor ihr lag ein Stapel Blätter, die sie aus Fachzeitschriften für Innenarchitektur und Möbeldesign ausgeschnitten hatte. Joe küsste sie auf die Wange und hob den Arm, um den hohen, schmalen Schrank zu öffnen, der zwischen dem Kühlschrank und der Wand stand. Er wackelte beängstigend.
»Eine tolle Konstruktion«, sagte Joe. »Irgendwann bricht das Ding über unseren Köpfen zusammen.«
»Du musst die Tür schnell öffnen«, erklärte Anna, »und sie gleichzeitig nach oben ziehen.«
Joe schloss die Schranktür und versuchte es noch einmal. Wieder wackelte der Schrank.
»Mach dir nichts draus«, sagte Anna, ohne hinzusehen. »Im Unterschied zu dir bin ich oft zu Hause. Darum habe ich viel Übung.«
»Vielleicht schaffe ich’s, dich am Freitag hier rauszulocken. Gina feiert ihren Geburtstag. Danny hat im Pastis einen Tisch für vier Personen reserviert. Wie wär’s?«
Anna dachte kurz nach und nickte dann. »Hört sich gut an.«
»Ich kann immer noch absagen. Fühl dich nicht unter Druck gesetzt.«
»Nein, nein.«
»Aber ich würde mich freuen, wenn du mitkommst.«
»Ich weiß.«
»Ich ziehe mich rasch um.« Joe stieg die Treppe hinauf und duschte. Als er wieder herunterkam, trug er Jeans und ein blaues T-Shirt mit dem Logo einer Kneipe, wobei er sich nicht erinnerte, jemals dort gewesen zu sein. Er setzte sich auf die Couch, schaltete den Fernseher ein und zappte gelangweilt durch die Programme, bis er einen Sender fand, der eine Pressekonferenz übertrug. Der Polizeipräsident verlas eine Presseerklärung.
»… der Parallelen zu zwei früheren Mordfällen aufwies. Der erste Mord wurde im vergangenen September an William Aneto verübt, der zweite im Dezember an Gary Ortis.«
Im Raum entstand Unruhe. Der Polizeipräsident fuhr fort: »Bei den drei Opfern handelte es sich um Männer im Alter zwischen dreißig und vierzig Jahren. Sie wurden in ihren Wohnungen brutal zusammengeschlagen und dann erschossen. Bei jedem der drei Morde wurde eine Waffe vom Kaliber zweiundzwanzig benutzt. Da es keine Anzeichen eines gewaltsamen Eindringens gab, ziehen wir die Möglichkeit in Betracht, dass diese Männer ihren Mörder kannten. In der Mordkommission Manhattan Nord wurde eine Sonderkommission gebildet, die die Ermittlungen übernommen hat.«
Von überall stürmten Fragen auf ihn ein.
»Soll das heißen, dass hier in New York ein Serienkiller herumläuft?«
»Ich habe gesagt, dass wir zwischen diesen drei Morden, die letztes Jahr in dieser Stadt verübt wurden, Parallelen gefunden haben.«
»Warum haben Sie diese Parallelen nicht früher entdeckt? Der erste Mord geschah vor fast einem Jahr.«
»Die drei Morde wurden in verschiedenen Stadtbezirken im Verlauf eines Jahres verübt, und auf den ersten Blick schien es keine Verbindung zwischen diesen Verbrechen zu geben. Aus Gründen, auf die ich jetzt nicht näher eingehen kann, hat sich erst ein Tatmuster herausgestellt, als wir ungelöste Mordfälle überprüft unduns mit den Detectives zusammengesetzt haben, die in den jeweiligen Mordfällen ermittelt haben.«
»Wie hat der Täter sich Zugang zu den Wohnungen verschafft?«
»Wie ich bereits sagte, gab es keine Anzeichen eines gewaltsamen Eindringens. Wir müssen vorerst davon ausgehen, dass der … Besucher von den Opfern selbst oder von Personen, die Zugang zu dem Haus hatten, hereingelassen wurde.«
»Gab es in diesen Häusern Portiers?«
»Nur in einem Haus.«
»Haben Sie mit den Familien gesprochen? Wie haben sie
Weitere Kostenlose Bücher