Blutbeichte
Beinahe-Vernichtung seiner eigenen Familie. Das Mädchen, das zerfetzt worden war, war ganz kurz vor seinem Tod zu seiner verzweifelten Mutter zurückgekehrt, und beide waren sich glücklich in die Arme gefallen. Sekunden später wurde diese Szene durch entsetzliche, blutige Bilder verdrängt, die Joe noch immer nicht vergessen konnte. Weil die Mutter des kleinen Mädchens die Polizei benachrichtigt hatte, hatte der Kidnapper sie und das Kind aus Rache in die Luft gesprengt.
Joe hatte dem Killer sechs Kugeln in die Brust gejagt.
Sein Name war Donald Riggs.
Nach diesen Geschehnissen drängte Anna darauf, dass Joe eine Auszeit nahm. Ihr wurde ein Job in Irland angeboten, und so zogen sie mit Shaun dorthin. Doch nach nur acht wunderschönen Monaten wendete sich das Blatt. Donald Riggs hatte einen Verbündeten, Duke Rawlins – einen Killer, mit dem er jahrelang gemeinsam gemordet hatte und der Riggs’ Tod nicht ungesühnt lassen wollte. Gerade erst nach einer Höchststrafe aus der Haft entlassen, verfolgte Rawlins Joe bis nach Irland und versuchte, ihn und seine Familie zu vernichten. Während ihres Aufenthalts auf der Grünen Insel war Shauns Freundin Katie ermordet worden. Kurz darauf entführte Rawlins Anna und fügte ihr dermaßen schreckliche körperliche und psychische Wunden zu, dass sie nun Tag für Tag kämpfen musste, die traumatischen Ereignisse zu überwinden.
Joe und Danny parkten neben dem Streifenwagen vor dem Wohnhaus in der Vierundachtzigsten Straße West. Ein gut gekleidetes Paar stand unter der grünen und goldenen Markise. Die beiden spürten offenbar, dass hier etwas passiert war, interessierten sich jedoch mehr dafür, wo sie heute ihren Brunch einnehmen sollten. Der Portier war ein gepflegter älterer Herr mit weißen Handschuhen und Schnurrbart. Auf seiner Dienstmarke stand Milton .
»Schrecklich«, sagte er, wobei er den Kopf schüttelte und mit einer Hand auf die Aufzüge zeigte.
»Hat schon jemand mit Ihnen gesprochen?«, fragte Danny.
»Ja, Sir.« Milton nickte.
»Gut«, sagte Danny. »Wir kommen dann gleich noch einmal auf Sie zurück.«
Im dritten Stock stiegen sie aus und gingen über einen Flur mit grauen Fliesen zur Wohnung 3E. Ein Detective in einem marineblauen Anzug kam auf den Flur und schaute auf den Notizblock, den er in der linken Hand hielt. Die rechte Hand presste er auf seinen Magen. Langsam drehte er sich zu den Ankömmlingen um. Danny und Joe stellten sich vor.
»Tom Blazkow, zwanzigstes Revier«, sagte der Detective. Das zwanzigste Polizeirevier war für das gesamte Gebiet vonder Neunundfünfzigsten bis zur Sechsundachtzigsten Straße zuständig, westlich des Central Parks. Blazkow war ein stämmiger Mann Mitte vierzig. Er hatte kurzes graues Haar, ein breites Kinn und blutunterlaufene blaue Augen. Er drehte sich zu dem Detective um, der nach ihm die Wohnung verließ.
»Das ist mein Partner, Denis Cullen.«
Die Männer nickten einander zu. Cullen war Anfang fünfzig. Er trug einen ausgebeulten braunen Anzug und die Krawatte eines Bowling-Clubs, dazu eine mit dem Sternenbanner verzierte Nadel. Sein blassrotes Haar lichtete sich bereits, und seine Nase und die Wangen waren von blauen Äderchen durchzogen. Er machte einen kompetenten Eindruck, wirkte aber erschöpft.
»Was haben wir denn, Jungs?«, fragte Joe.
Blazkow berichtete: »Ethan Lowry, Grafikdesigner, geboren zwölfter April einundsiebzig, verheiratet, eine kleine Tochter. Beim Notruf ging ein Anruf von dem Schonkostservice ein, der ihm jeden Morgen seine Mahlzeiten für den ganzen Tag liefert. Er hat die Tür nicht geöffnet. Es war das erste Mal innerhalb von elf Monaten. Der Lieferant sah auf dem Gang einen Blutflecken und nahm einen unangenehmen Geruch wahr.« Er zeigte auf einen blassen jungen Mann. »Die beiden Lieferanten haben geklingelt und an die Tür geklopft. Nichts geschah. Sie gingen zur Rückseite des Hauses und stiegen die Feuertreppe hinauf. Da sie durchs Fenster nichts sehen konnten, riefen sie die Polizei. Der Leichnam lag gleich hinter der Eingangstür. Keine Anzeichen eines gewaltsamen Eindringens. Die Balkontür war verschlossen. Auf dem Handy der Ehefrau meldete sich niemand. Wir haben unten an den Aufzügen einen der Lieferanten postiert. Er weiß, nach wem er Ausschau halten muss. Ihr müsst klopfen.« Er zeigte auf die Wohnung. »Passt bloß auf. Wenn ihr Pech habt, rutscht ihr auf den Fetzen seines Gesichts aus.«
Joe griff in die Tasche und zog ein weißes Taschentuch und
Weitere Kostenlose Bücher