Blutberg - Kriminalroman
schließlich, nachdem er das Tuch sorgfältig zusammengefaltet und vor sich auf den Tisch gelegt hatte, »du hast vermutlich die Nachrichten von dem Unfall da im Osten mitverfolgt?« Stefán nickte. »Gut«, sagte Svavar. »Gut. Eins hast du aber noch nicht gehört, nämlich dass ein weiterer Mensch ums Leben gekommen ist. Der leitende Sicherheitsbeauftragte bei dem Projekt, Ásmundur Arason, hat sich heute Nacht erhängt.« Er öffnete die Mappe, die vor ihm auf dem Tisch lag, holte einige Blätter heraus und schob sie zu Stefán hinüber. »Das ist eine Kopie des Briefes, den er geschrieben hat, bevor er sich umbrachte. Er wurde uns vor anderthalb Stunden zugefaxt.« Er nahm noch einige Blätter zur Hand und reichte sie Stefán: »Und das ging heute Morgen bei uns ein. Ich möchte, dass du das liest, bevor wir weiterreden.«
»Hast du Ásmundur Arason gesagt?«, fragte Stefán. »Der Ingenieur?«
»Ich weiß nicht, ob er Ingenieur war, aber der Name ist auf jeden Fall Ásmundur Arason, ja. Weshalb fragst du?«
Stefán schüttelte den Kopf. »Spielt keine Rolle.« Er vertiefte sich in die Lektüre und Svavar putzte unterdessen weiter an seiner Brille herum.
»Wer ist dieser - wie spricht man das aus - Joakim?«, fragte Stefán.
»So ähnlich«, sagte Svavar. »Er ist mit dem Portugiesen befreundet, der überlebt hat.« Er räusperte sich. »Bist du fertig mit dem Lesen?«
Stefán legte die Papiere zur Seite und nickte. »Ja, ich krieg das aber nicht so richtig auf die Reihe.«
Svavar machte eine abwehrende Handbewegung, stand auf und begann, mit auf dem Rücken gefalteten Händen auf und ab zu gehen.
»Man kann beides jeweils für sich genommen ohne weiteres als völligen Blödsinn abtun«, sagte er. »Der im Krankenhaus ist ja mehr oder weniger aus der Welt, und sein Kumpel war der Einzige, der das gehört hat. Und dieser Sicherheitsbeauftragte war im Begriff sich umzubringen, als er diesen ellenlangen Schrieb verfasst hat, so dass der Mann wohl kaum in einer ausgeglichenen geistigen Verfassung gewesen ist. Außerdem versucht er ja eindeutig, die eigene Verantwortung an diesem tragischen Unfall zu minimalisieren. Aber wenn wir die beiden Sachen miteinander in Verbindung bringen, dann sieht es doch ein wenig anders aus, nicht wahr?« Er nahm wieder Platz und legte Stefán weitere Blätter vor, die zusammengeheftet waren. »Was ich dir jetzt zeige, ist streng vertraulich. Natürlich ist das alles vertraulich, aber ganz besonders gilt das für diese Papiere, und du musst dafür sorgen, dass deine Leute entsprechend damit umgehen.«
Fünfzehn Blätter waren zusammengeheftet worden. Auf jedem befand sich die Kopie eines E-Mail-Ausdrucks.
»Wenn wir das alles in einen Kontext bringen, ist die Angelegenheit ohne Zweifel sehr ernst, wie du sehen wirst.« Svavar räusperte sich ein paar Mal, um seine Worte zu unterstreichen. Als Stefán die erste Mail las, hätte nicht viel gefehlt, und er wäre rot angelaufen.
»Die Grüne Armee?«, fragte er vorsichtig.
»Die Grüne Armee.«
Stefán blätterte die E-Mails schnell durch, sie lauteten alle gleich, nur die gesetzte Frist verkürzte sich mit jedem Schreiben.
» Wer das Land zerstört, zerstört die Nation «, las er laut aus der ersten Mail vor. » Wer das Land vergewaltigt, vergewaltigt die Nation. Ihr habt euch an beiden vergangen. Euch bleiben zwei Monate, um Vernunft anzunehmen. Entweder stellt ihr die Arbeit bis zum 28. Februar ein, oder wir werden das Urteil vollstrecken. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Die Grüne Armee. «
Er legte die Blätter ab. »Keine berauschende Prosa«, sagte er. »Woher stammt das? Wer hat diese Drohungen erhalten?«
»Sie gingen direkt an den Generaldirektor der National Power Company, an seine Mail-Adresse. Nur an ihn.«
»Hm. Die älteste ist zwei Monate alt. Ist man der Sache auf den Grund gegangen? Hat man versucht herauszufinden, woher das kommt?«
Svavar schüttelte den Kopf. »Ja, es wurde verfolgt, aber dabei ist nichts herausgekommen.«
Stefán räusperte sich. »Die neueste stammt vom Freitag, und da ist die Rede von drei Tagen und vom Achtundzwanzigsten.«
Svavar zuckte die Achseln. »Und?«
»Das in der Schlucht ist aber gestern passiert. Der Achtundzwanzigste ist erst morgen.«
»Pläne können sich ändern«, sagte Svavar kurz angebunden, »auch bei Terroristen. Die sind ja ohnehin nicht gerade für Zuverlässigkeit bekannt.«
»Das zwar nicht«,
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