Blutberg - Kriminalroman
noch eine ganze Weile im künstlichen Koma halten. Schwer zu sagen, wann wir etwas Vernünftiges aus ihm herausbekommen können.« Die anderen drei nickten zustimmend.
»Trotzdem ist es doch eigentlich ziemlich klar«, sagte Árni. »Explosion kann nichts anderes als einen Knall bedeuten, egal, wie wenig Englisch die Leute können.«
»Doch, ja«, sagte Stefán, »das stimmt natürlich. Aber was für ein Knall? Dynamit? Eine Fehlzündung? Und wo? Auf dem Gelände wird doch bestimmt überall rumgesprengt, war das genau oberhalb von ihm?« Er nahm seine Kappe ab und rieb sich die Schläfen. »Außerdem ist so ein Bergsturz mit viel Gedröhn und Krach verbunden«, fuhr er müde fort. »Wie kann sich also dieses arme Schwein so sicher sein, dass es eine Explosion war und nicht nur einfach das Gestein, das nachgegeben hat? Und noch dazu in diesem Zustand.« Er schüttelte den Kopf und streckte seine Hand nach seiner Aktentasche am Tischbein aus.
»Deswegen müssen wir Zeugen finden. Wenn ich den Amtmann richtig verstanden habe, haben unsere Kollegen am Schauplatz bereits damit angefangen, die Schichtlisten und die Sprengstoffregistrierung zu überprüfen, und man hat auch bereits eventuelle Zeugen gebeten, sich zu melden. Meines Wissens war das Gelände oberhalb zwar für den Verkehr gesperrt, aber nicht abgesperrt, und vielleicht besteht eine Chance, dass dort jemand unterwegs gewesen ist.«
Stefán zog Ásmundurs Abschiedsbrief aus der Tasche und überflog ihn noch einmal.
»Ich weiß im Grunde genommen nicht so genau, was mit B-Gelände gemeint ist, wie Ásmundur sich ausdrückt, aber
hier stellt er also fest, dass eine erste Inspektion nichts ergeben hätte, was auf eine unmittelbar drohende Gefahr hindeutete, doch angesichts diverser Hinweise und Beanstandungen beschloss ich, diesen Bereich als B-Gelände einzustufen, bis weitere Untersuchungen stattgefunden hatten, nicht zuletzt in Anbetracht der Tatsache, dass sich der Grat direkt über einer Verwerfung befand. Die Möglichkeit, dass das Einfluss auf Dichte und Stabilität des Oberflächengesteins hatte, war nicht auszuschließen. Infolgedessen habe ich jeglichen Verkehr in der näheren Umgebung untersagt, was durch meine schriftliche Anweisung vom 12. Februar d.J. bestätigt wird. Auch bei einer weiteren Inspektionsfahrt, auf der mich eine Woche später der Ingenieur Björn Egilsson, der bei dem Unfall ums Leben kam, und der Geophysiker Lárus Einarsson begleiteten, stellte sich nicht heraus, dass weitere Maßnahmen erforderlich waren, zumal Lárus’ Messungen darauf hindeuteten, dass der Gesteinsgrund unter dem Tuffgrat trotz der Verwerfung relativ fest war, und dass die Spalten, gemessen am Berggrund, nicht tiefer oder mehr waren, als normalerweise bei einem derartigen Untergrund zu erwarten ist. Obwohl es dazu im Grunde genommen keinen Anlass gab und es eigentlich auch nicht vertretbar war, trafen wir trotzdem die Entscheidung, die Arbeiten in der Schlucht unterhalb des Grats zu stoppen, bis eine Einsturzgefahr vollständig ausgeschlossen werden konnte. Was aber erst möglich war, wenn Norling und Haase die Ergebnisse der geologischen Untersuchungen vorgelegt hatten. Allerdings …«, jetzt musste Stefán das nächste Blatt zur Hand nehmen, »… besteht erheblicher Bedarf zu äußerster Vorsicht, und das lässt sich auf Dauer nicht ignorieren .« Stefán legte den Brief zur Seite und sah seine Leute an. »Und in dem Stil geht es immer so weiter, letzlich sagt er immer wieder dasselbe - dass es nicht voraussehbar gewesen ist und dass es deswegen nicht seine Schuld war.«
»Aber trotzdem hat er sich umgebracht«, sagte Guðni, »und das deutet nicht gerade darauf hin, dass er selber daran geglaubt hat.«
»Das ist zwar richtig«, gab Stefán zu, »aber es könnte auch bedeuten, dass er nicht damit gerechnet hat, andere davon überzeugen zu können, dass es tatsächlich stimmte.«
»Steht hundertprozentig fest, dass er sich erhängt hat?«, warf Árni dazwischen. »Ich meine, er selber?«
»Wer denn sonst?«, fragte Katrín.
»Weiß ich doch nicht. Wer auch immer«, antwortete Árni achselzuckend.
»Die Jungs von hier sind sich ziemlich sicher«, sagte Stefán. »Da hat nichts auf irgendetwas anderes hingedeutet, sagen sie. Und dieser Brief ist zweifelsohne ziemlich - wie soll ich sagen? Er klingt ziemlich nach Selbstmord, wenn ich es so ausdrücken darf.« Er setzte sich die Kappe wieder auf und trank sein Bier aus. »Wir gehen auf jeden Fall davon
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