Blutberg - Kriminalroman
Möglichkeit, das nachzuweisen, und er selber stritt das selbstverständlich hartnäckig ab. Wir mussten uns damit abfinden, und das war unsere Ausgangslage. Nach drei Wochen haben dann diejenigen, die hier das Sagen hatten, das Angebot angenommen, Verstärkung aus Reykjavík zu holen. Und das war wie gesagt dieser Guðni.« Steinþór starrte nachdenklich aus dem Fenster, während er die Geschichte rekapitulierte. »Er hat eine Viertelstunde gebraucht«, sagte er nach kurzem Schweigen. »Wir hatten uns drei Wochen damit rumgeschlagen, bevor Guðni eintraf, und er brauchte nur eine Viertelstunde. Er verlangte sofort, mit dem Kerl zu sprechen, und ich wurde abkommandiert, um ihn zu chauffieren. Als wir dort vorfuhren, sagte er mir, wie ich mich zu verhalten hatte. Du sitzt neben mir, sagte er zu mir, blickst den Kerl unverwandt an und machst den Mund nicht auf. Was auch immer passiert, du sitzt da einfach nur auf dem Arsch, starrst den Kerl an und hältst die Klappe. Und das habe ich gemacht. Wir setzten uns Seite an Seite an den Küchentisch, der Kerl
saß uns gegenüber, und ich habe ihn die ganze Zeit angestarrt. Er war echt widerlich.«
»Der Typ?«
»Nein, Guðni.« Steinþór schüttelte den Kopf. »Ich war mehrmals kurz davor, einzugreifen und ihm zu sagen, dass er zu weit ging, aber ich habe mich zurückgehalten. Es war nicht einfach, aber ich habe es geschafft. Weshalb lügst du, du dämlicher Idiot, fragte er, weißt du nicht, dass es besser für dich ist, gleich zu gestehen? Du lügst, und dein Kumpel auch, du selber hast deine Alte umgebracht. Du hast gewusst, dass sie mit Jón auf dem Nachbarhof herumgevögelt hat. Als sie nach Hause kam, roch sie im Schritt noch nach dem Sperma von Jón, diese Nutte, und da hast du bereitgestanden und sie mit deiner Schrotflinte abgeknallt, und die hast du dann anschließend in den Fluss geworfen. Ich verstehe dich gut, sagte er, ich hätte das auch gemacht, wenn ich so eine verdammte Nutte zur Frau hätte.
Und in dem Stil hat Guðni die ganze Zeit weitergemacht. Der arme Kerl schaltete zunächst auf stur, aber dann brach sein Widerstand zusammen, er fing an zu winseln und hat alles gestanden. Es stellte sich heraus, dass es in etwa so gewesen war, wie Guðni gesagt hatte. Der Alte war zu Ketill nach Hóll gefahren und hatte mit ihm gesoffen, bis Ketill umfiel. Dann ist er auf einem Traktor nach Hause gezuckelt, doch da war die Alte ausgeflogen, und als sie endlich wiederkam, erwartete er sie mit der Flinte vor sich auf dem Tisch. Er glaubte zu wissen, bei wem sie gewesen war, und rastete komplett aus. Schnappte sich die Flinte und erschoss sie, bevor sie noch einen Mucks von sich geben konnte. Und das war keine normale Flinte, sondern eine Spezialwaffe für die Rentierjagd, wie du bestimmt weißt. Anschließend fuhr er auf dem Traktor zurück zu Ketill nach Hóll und schlief dort seinen Rausch aus, doch vorher hat er noch die Flinte unter einem Stapel
alter Heuballen in Ketills Pferdestall versteckt, so ein gutes Stück wirft man ja schließlich nicht einfach weg. Eine Viertelstunde, nachdem wir bei ihm in Seilingsstaðir vorgefahren waren, bretterten wir mit dem Kerl in Handschellen schon wieder zurück nach Egilsstaðir. Guðni übernachtete im Hótel Valaskjálf, schwängerte Dedda und flog am nächsten Tag nach Reykjavík zurück.«
»Dedda?« »Dedda Karlsdóttir. Sie arbeitete damals in der Bar des Hotels. Die kleine Helena ist Guðnis Tochter.«
»Typisch Dedda«, erklärte Auðunn in abfälligem Ton. »Dieser Guðni ist also ziemlich in Ordnung?«
»Nein, er ist eigentlich ein echter Kotzbrocken«, entgegnete Steinþór kopfschüttelnd. Er stöhnte und wandte sich wieder dem Papierstapel vor ihm zu. »Na denn, Märchenstunde beendet, am besten stürzen wir uns wieder in diesen verdammten Papierkram.« Steinþór konzentrierte sich auf das oberste Blatt in dem Stapel, kapitulierte aber bald und zog eine Grimasse. »Das ist doch völlig sinnlos«, erklärte er, »da kommt nichts dabei heraus.«
»Hast du nicht gesagt, wir müssten wissen, wer wo gewesen ist?«, fragte Auðunn und runzelte die fast unsichtbaren Brauen. »Oder zumindest, wer wo hätte sein müssen, als es passierte?«
Steinþór nickte. »Ja, das habe ich gesagt. Aber was nützt das? Es handelt sich um ein paar hundert Leute, von denen die Hälfte noch dazu keine Schicht hatte.«
»Und?«
»Und ich glaube, wir kommen nur dann weiter, wenn wir das etwas einengen. Vielleicht besorgen wir uns
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