Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
Vom Netzwerk:
einmal auf die Toilette musst, dann solltest du jetzt gehen.«
    Mir schoss das Blut in die Wangen. Mit dem üblichen Effekt. Er brachte hastig etwas mehr Abstand zwischen uns. Nicht, dass das wirklich von seiner Seite nötig gewesen war, denn ich ergriff die Flucht. Zu spät merkte ich, dass ich die Kreide noch in den Händen hatte.

    Als ich zurückkam, hatte das Brennen in meinen Wangen zumindest ein klein wenig nachgelassen.
    Neben Rucksack und Decke lagen jetzt ein paar längere Holzspäne auf dem Boden, die so aussahen, als seien sie von irgendwelchen Balken abgerissen worden. Joaquín kniete darüber. Ich blieb stehen. Reglos. Ob vor Schreck oder Neugier … ich war selbst nicht sicher. Er wob Zeichen in die Luft, strich mit den Fingerspitzen daran entlang, drehte schließlich die Handfläche nach oben … und plötzlich züngelten darauf kleine Flammen. Ich hielt den Atem an. Beobachtete, wie sie von seiner Hand zu dem Holz hinüberwechselten, sich darüber ausstreckten, als würden sie es sich darauf … gemütlich machen? Er richtete sich von den Knien auf, wandte sich in der Bewegung zu mir um. Offenbar hatte er die ganze Zeit gewusst, dass ich hier gestanden hatte.
    »Es ist nicht genug, um dich zu wärmen. Aber du hast Licht bis zum Morgen.«
    Zweifelnd betrachtete ich das magere Häufchen Späne. Das sollte bis zum Morgen reichen? … Ich sah genauer hin. Sie brannten … und ver brannten anscheinend doch nicht. »Das ist kein normales Feuer.« Oh Lucinda, du Intelligenzbestie.
    »Nein. Das sind ›nur‹ ein paar mindere Elementargeister.« Eines der Flämmchen sprang wie empört ein Stück in die Höhe, bevor es zu den anderen zurückfiel. »Ich habe sie an das Holz gebunden. Bis Sonnenaufgang. Danach werden sie einfach in den ersten Sonnenstrahlen vergehen.« Er trat zwei Schritt beiseite und wies auf Decke und Rucksack. »Wie gesagt: Du hast Licht, aber keine wirkliche Wärme. Dazu müsste ich ihnen mehr ›Nahrung‹ geben. Aber hier im Dorf Holz zu finden, das nicht zu einem der alten Dächer gehört, ist so gut wie unmöglich.
« Gab es überhaupt noch andere Dächer außer dem der Kirche? Ich hatte keine gesehen. »Und ich will dich nicht allein lassen, wenn es nicht sein muss.« Mit weißer Kreide war bereits ein Kreis um alles gezogen. Ein Kreis, der noch nicht geschlossen war.
    Langsam trat ich an ihm vorbei, drückte ihm dabei die Kreideschachtel in die Hände und ließ mich mit überkreuzten Beinen auf der Decke nieder. Beinah achtlos legte er die Schachtel auf einen der herabgefallenen Steine, zog das weiße Stück, das ich ihm zuvor gegeben hatte, aus der Hosentasche, ging erneut in die Knie. Und zögerte.
    Mir blieb der Mund offen stehen, als er sein Hemd aufknöpfte. Was zum Teufel …?
    Schon auf die Distanz, jeden Morgen am Pool war er … beeindruckend. Aber so, aus der Nähe … Halleluja. Seine Haut war heller, als ich eigentlich bei jemandem wie ihm erwartet hatte. Ein Zeichen dafür, dass er unaufhaltsam Nosferatu wurde? Darunter spielten nahezu perfekt geformte Muskeln in seinen Bewegungen. Okay, Lucinda, wie viele nackte Männer hast du schon aus dieser … Entfernung gesehen? Richtig. Null. Streich das ›nahezu‹. Ganz schnell.
    Die Steine des Kreuzes blitzten auf seiner Brust. Daneben trug er zwei dieser länglichen Kristalle an einer eigenen Kette. Der eine war beinah vollkommen klar, vielleicht noch mit einem Hauch von Grau an seinem Ende. Die Spitze des anderen sah aus, als hätte man sie von Innen irgendwie mit schwarzer Tinte gefüllt. In dem Stück darüber schien sich trüber Rauch zu kräuseln.
    Ich brauchte Sekunden, bis mir klar wurde, dass ich gaffte. Hastig wandte ich den Blick ab. Erst als er mir sein Hemd
hinhielt, sah ich wieder zu ihm. »Es wird nachts hier draußen ziemlich kalt. Falls dir die Decke nicht reicht …«
    »Und was ist mit dir?« Meine Stimme hatte ungefähr die Lautstärke und die Tonlage eines Mäusepiepens. Eines sehr schwachen Mäusepiepens.
    »Keine Sorge, ich werde schon warm bleiben.«
    Ich schaffte mit Mühe ein Nicken. Schluckte. Nahm es ihm ab. Hielt es auf meinem Schoß, ohne zu wissen, was ich sonst damit tun sollte. Er ließ den Arm sinken. Die Schwingenkralle, die über seine Schulter nach vorne griff, schien sich bei der Bewegung ein klein wenig weiter zu krümmen. Auf der linken Seite in Höhe der letzten Rippen und knapp darunter waren Narben. Fahl. Leicht … wulstig. Schätzungsweise sieben oder acht Stück. Sie wirkten …

Weitere Kostenlose Bücher