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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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man es auch dreht und wer auch immer dafür verantwortlich ist: Ich habe ihm uns beide hier draußen auf dem Silbertablett geliefert. «
    Abermals gab ich ein Keuchen von mir. Hoch und hilflos diesmal. Etwas in seinem Blick veränderte sich, wurde … weich?
    »Du musst keine Angst haben, Luz. Dir wird nichts geschehen. Bei meiner Seele. Oder dem, was noch davon übrig ist.« Seine Worte zogen meine Kehle zusammen. Die Bewegung, mit der er sich vorbeugte und das Handschuhfach öffnete, ließ mich dennoch zurückzucken. Als er den Dolch darin entdeckte, runzelte er unwillig die Stirn. Gleich darauf hielt er mir das Mordwerkzeug auf dieselbe Art wie schon heute Morgen entgegen: den Griff voraus. »Ich will, dass du den die ganze Zeit bei dir trägst. Und dass du ihn benutzt, wenn es sein muss. Verstanden?«
    Meine Finger bebten, als ich sie um das Heft schloss und nickte.
    »Gut. – Auf dem Rücksitz liegt eine Decke. Bring sie mit und dann komm. Wir haben noch ein paar Dinge vorzubereiten, bevor die Sonne endgültig untergegangen ist.« Er nahm die Kreide aus dem Handschuhfach und stieg aus. Eine Sekunde saß ich noch irgendwie perplex da, dann folgte ich ihm hastig, zog im letzten Moment noch den Autoschlüssel aus dem Schloss. An der Seite des Wagens vorbei beobachtete ich verwirrt, wie er aus dem Gepäckraum Rucksack und Wasserflaschen herausholte und sich dann der Kirche zuwandte. Auf gleicher Höhe mit mir blieb er jedoch noch einmal stehen, nickte zum Rücksitz
des Autos hin. »Die Decke, Luz, mach schon!« Diesmal klang er ungeduldig.
    Ich schob den Dolch wieder hinten in den Bund meiner Hose, klaubte die Decke aus dem Wagen und hastete ihm nach. An der Tür der Kirche erwartete er mich. Gerade so lange, bis ich ihn erreicht hatte, dann wandte er sich um und ging hinein. Direkt zu der freien Fläche vom Altarraum. Die Decke vor die Brust gedrückt, trat ich ebenfalls ein. Ich blieb abrupt stehen, als er vor dem steinernen Geländer auf ein Knie sank und sich bekreuzigte. So als sei es das Normalste von der Welt. Er! Gerade als er sich erhob, setzte ich mich wieder in Bewegung. Und hoffte, dass er meine Überraschung nicht bemerkt hatte.
    Er hatte sich wieder von dem Altarraum abgewandt, den Rucksack ein paar Meter vom Geländer entfernt, weiter zu mir hin, auf den Lehmfliesen abgesetzt und winkte mich jetzt zu sich. Ich folgte seiner Geste, ließ mir die Decke abnehmen und bekam im Gegenzug die Kreide mit einem einfachen »Hältst du mal eben« in die Hände gedrückt. Noch immer irgendwie unsicher beobachtete ich, wie er sie ein paar Mal zusammenfaltete und dann neben dem Rucksack auf den Boden legte.
    »Und was wird das?«
    »Dein Lager für heute Nacht.« Er trat zurück und wies auf Decke und Rucksack. »Es tut mir leid, dass ich dir nichts Besseres bieten kann.«
    »Mein …« Allmählich dämmerte mir, wie das hier ablaufen sollte. Allerdings … »Die Decke kann ich ja noch nachvollziehen, aber was soll ich mit dem Rucksack?«
    »Du hast heute noch nicht allzu viel gegessen. Und außerdem kannst du ihn notfalls als ›Kissen‹ benutzen und es dir ein wenig
bequemer machen.« Er glaubte jetzt aber nicht ernsthaft, dass es mir gelingen würde, mich heute Nacht so weit zu entspannen, dass ich auch nur ansatzweise darüber nachdenken konnte, es mir ›ein bisschen bequemer zu machen‹? Oder am Ende sogar in der Lage war, für eine einzige Minute die Augen zu schließen? Wir erwarteten Nosferatu! Scheinbar vollkommen gelassen streckte er mir eine Hand hin. »Gib mir die weiße Kreide.«
    Ein bisschen umständlich fummelte ich die Schachtel auf. Schwarz; ein dunkles Rot, das fast wie gebranntes Karmin aussah; ein helleres Rot; grün und blau, jeweils hell und dunkel; gelb; zwei Stücke weiß; eines davon nur noch ein kleiner Stummel. Schwarz und Karminrot waren nur wenig länger. Ich holte das kürzere Weiß heraus, gab es ihm. Wer die Schachtel in seinem Handschuhfach durch Zufall sah, würde sie für einfache Kinderkreide halten. So wie ich. Ich verbiss mir ein Schnauben. Joaquín de Alvaro und Kinderkreide. Ja, klar. Wollte ich wissen, aus was diese ›Kreide‹ möglicherweise sonst noch bestand außer ›Kreide‹? Nein.
    Schon halb in der Hocke, hielt er inne, musterte mich nachdenklich. Auf eine Art, die mich mehr als nervös machte.
    »Was?«, platzte ich heraus.
    Er rieb sich über den Mund. »Wenn die Kreise geschlossen sind, wirst du sie vor morgen früh nicht wieder verlassen. Falls du also noch

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