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Blutbraut

Blutbraut

Titel: Blutbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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reicht mir bis zu den Knöcheln. »Können wir die Lichter anmachen?« Ich drehe mich zu Chimo um. Er sitzt auf der Klavierbank. Sieht mir zu. Vornübergelehnt. Die Ellbogen auf den Knien. Seine Arme sind von winzigen roten Punkten übersät. Wie jedes Jahr, wenn er sich an den Nadeln sticht. Weil er ›anergisch‹ ist. Quichotte liegt neben ihm. Den Kopf auf den Pfoten. Hinter ihm, auf dem Flügel, stapeln sich schon Geschenke. »Darf ich eins von meinen Geschenken aufmachen?«
    »Du kleine Pest solltest gar nicht hier unten sein, sondern im Bett und schlafen. – Und Geschenke werden erst morgen früh ausgepackt. « Auch wenn er versucht, genervt zu klingen, kann ich doch hören, dass er sich ein Lächeln verbeißt.
    »Büüüüütte! Nur ein ganz kleines.«
    »No.« Entschieden schüttelt er den Kopf.
    »Auch kein ganz, ganz kleines?« Ich wippe auf den Zehenspitzen auf und ab.
    »Auch kein ganz, ganz, ganz kleines!«

    »Chimoooo.«
    »Nohooo. – Ich bekomme schon genug Ärger mit Estéban, wenn er zurückkommt. Da muss ich nicht noch mehr wegen deiner Geschenke haben.« Er steht auf, steigt über Quichotte hinweg. Oder will es zumindest. Aber er fällt beinah über ihn, weil Quichotte sich genau in dem Moment brummend streckt und auf die Seite legt. Und seine Vorderpfoten plötzlich direkt da sind, wo Chimo gerade hintreten wollte.
    »Er besorgt mir noch eines, nicht wahr?« Ich breite die Arme aus, drehe mich um mich selbst. Rosa dreht sich mit mir. Das Nachthemd bauscht sich um mich herum.
    »Was?«
    »Ein Geschenk!« Ein bisschen taumelig bleibe ich wieder stehen.
    Chimo verdreht die Augen. »Alles, was ich weiß, ist, dass er noch etwas erledigen musste und Cris auf dem Rückweg vom Flughafen mitbringt.« Seine Augen erinnern mich immer an Schokolade. Die dunkle, bittere. Mit Chili. Die ich so gerne mag.
    Ich klatsche in die Hände. »Cris kommt über Weihnachten aus der Schule?«
    »Sí. Wie jedes Jahr.«
    »¡Dios mio! Du bist ja immer noch wach, Lucinda. Und hier unten!« Anita kommt aus dem Durchgang in den hinteren Teil des Hauses. Dort, wo die Küche ist. Einen großen Teller mit Weihnachtsplätzchen in den Händen. »Wie lange bist du schon wieder hier unten? – Du hättest sie gleich wieder zurück ins Bett schicken sollen, Joaquín.«
    Der schnaubt nur verächtlich. »Als ob sie sich von mir irgendetwas sagen lassen würde, Anita. – Und fürs Protokoll: Ich habe versucht, sie ins Bett zu schicken.«
    Mit einem tadelnden Kopfschütteln geht Anita an uns vorbei
und stellt den Plätzchenteller auf den Flügel. Dort, wo noch eine Ecke der dicken roten Weihnachtsdecke unter den Geschenken hervorlugt. Joaquíns Vater hat schon einmal beinah einen Tobsuchtsanfall bekommen, als ich versehentlich einen Kratzer in den schwarzen Lack gemacht habe.
    Ich bin ihr nachgegangen, aber als ich mir jetzt ein Plätzchen vom Teller nehmen will, gibt sie mir einen kleinen Klaps auf die Finger. »Oh nein, junge Dame. Du hast bereits Zähne geputzt. Und es ist schon längst Schlafenszeit für dich. – Ab nach oben und ins Bett! Husch!« Sie scheucht mich die Treppe hinauf. » Und du gehst am besten in die Küche und wäschst dir die Arme mit kaltem Wasser ab, Joaquín. Ich komme gleich mit der Salbe, sonst sehen sie morgen wie Streuselkuchen aus.« Anita steigt hinter mir her die Stufen hinauf.
    »Luz!« Ich bin schon fast oben am Ende der Treppe, als Chimo meinen Namen sagt. Ich drehe mich um. Und kann gerade noch das Plätzchen auffangen, das er mir zuwirft. Anita lässt ein Schnalzen hören. Und dann gehen die Lichter am Baum an. Dabei kann ich nicht sagen, ob er sie einfach ›so‹ angemacht hat oder ob er die Kabel zusammengesteckt hat. Sie funkeln und strahlen zwischen den grünen Zweigen wie kleine Sterne.
    »Er ist wunderschön, Chimo«, flüstere ich.
    Er lächelt zu mir herauf. »Feliz Navidad, mi vida.«
     
    »Das ist krank.«
    »Krank?«
    »Pervers, wenn dir das lieber ist.«
    »Pass auf, was du sagst, Junge …«
    »Luz soll einmal meine Frau werden und lebt unter demselben Dach wie ich, als wäre sie meine Schwester. Allein der Gedanke,
irgendwann mehr zu tun, als sie nur zu umarmen oder ihr einen Kuss auf die Wange zu geben, fühlt sich an wie Inzest. Wenn das nicht pervers ist, was dann?«
    »Das Mädchen ist glücklich. Und wenn du sie nicht heiraten willst …«
    »Kann ich sie zu meiner Hure machen und eine andere heiraten oder was? Wie du mit Isabella? – Sanguaíera bedeutet Blut braut , nicht

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