Blutbraut
wollte ihn um keinen Preis verlassen …«
»¿Qué dices, viejo?« Plötzlich war Eis in Joaquíns Stimme.
»Sie gehörte mir. Ich konnte nicht zulassen, dass sie bei ihm blieb. Wie eine Hure.«
Joaquíns Oberlippe zuckte, hob sich, entblößte mörderische Fänge. Von einer Sekunde zur nächsten schien er mich komplett vergessen zu haben. »Mi madre …«
Jesús de Alvaro zischte: »Sie war Mein. Ich konnte ihr nicht erlauben, bei ihm zu bleiben …«
Joaquíns Aufschrei schnitt ihm das Wort ab. Ein Ruck zerrte mich aus seinem Griff. Dann hatte Joaquín mich schon zur Seite und zu Boden gestoßen. Jesús de Alvaro brüllte. Joaquín hatte sich auf ihn gestürzt, sein Heulen übertönte ihn noch.
Ich kroch von ihnen fort, ohne es im ersten Moment zu merken. Beobachtete fassungslos, wie Joaquín seinem Großvater die Zähne in den Hals grub, immer wieder; die Krallen in sein Fleisch trieb, blanken Hass im Gesicht. Die Kette um die Kehle seines Großvaters geschlungen. Dessen Brüllen nur noch ein Gurgeln. Seine Krallen schabten über die Glieder, schlugen nach Joaquín. Stoff riss, als er plötzlich riesige schwarze Fledermausschwingen spreizte. Die beiden Nosferatu bewegten sich beinah gleichzeitig, warfen sich auf Joaquín, versuchten, ihn von ihrem Herrn wegzuzerren. Auf seinem Rücken, unter den Siegeln … Zwei lange Wunden bildeten ein V; beinah genau an den Stellen, wo seine tätowierten Schwingen aus der Haut brachen … Joaquín brüllte. Hieb dem Blonden die Klauen in die Seite. Schrie im nächsten Moment auf, als der andere ihm die Hand zwischen die Schulterblätter rammte, sich darunter Schwärze unter seine Haut zu schieben schien, sich wie dunkle Adern weiterfraß. Er krümmte sich. Taumelnd kam ich auf die Füße. Stolperte von ihnen weg. Wieder ein Aufbrüllen von Joaquín. Für eine Sekunde begegnete ich seinem Blick …
Ich dachte nicht mehr nach. Floh einfach. Riss die Tür auf, dass sie gegen die Wand krachte. Hetzte den Gang entlang zur Treppe, die Stufen hinauf, verpasste einen Tritt, fing mich wieder, rannte weiter. Blieb am Ende unsicher stehen, plötzlich orientierungslos. Schwingen … Die Schwingen auf dem Tisch … Ein Aufkreischen aus der Tiefe trieb mich weiter. Seine. In einen Korridor hinein, der mir zumindest vertraut erschien. Schritte hinter mir. Eine Stimme, die etwas brüllte, das ich nicht verstand. Ich musste hier raus! Türen zu beiden Seiten. Joaquín war immer noch da unten. Schluchzend rüttelte ich an einer, der nächsten, stürmte weiter. Wenn ich nicht hier rauskam, würde niemand uns helfen. Mein Handy. Hektisch zerrte ich es aus meiner Hosentasche. Meine Hand zitterte. Ein Stück vor mir öffnete sich eine Tür. Cris! »Lucinda?« Ich wollte ihm ausweichen, irgendwie an ihm vorbei. Nur seinetwegen war ich hier; wir. Er erwischte mich am Arm, zog mich zu sich herum. Das Handy rutschte mir aus den Fingern, schlitterte über den Fußboden, knallte gegen die Wand. Knackte. Cris starrte mich an, die Schnitte, das Blut. Ungläubig. Und … entsetzt. »Was zum …«
›Hilf mir! Hilf uns !‹ Ich brachte keinen Ton heraus. Ich konnte nur ohnmächtig den Kopf schütteln. Doch ich schrie, als der blonde Nosferatu plötzlich hinter mir war, mich packte, den Weg zurückschleifte, den ich eben gerade in blinder Panik entlanggekommen war, schlug um mich, kratzte, biss. Ein Schlag ins Gesicht schickte mich gegen die Wand, beendete mein Wehren jäh. Halb benommen hörte ich Cris’ Stimme. Verzerrt und undeutlich. Ohne ihn zu verstehen. Er schleppte mich wieder hinunter. Ich schluchzte, heulte, stemmte mich gegen seinen Griff. Erfolglos. Die Treppe abwärts. Wieder den
Gang entlang. Zurück in den Raum. Ein Stoß. Ich taumelte, fiel, blieb liegen, kroch von dem Nosferatu fort. Fauchend spreizte er seine Schwingen. Die Tür krachte zu. Das Feuer war aus. Eine nackte Glühbirne schaukelte von der Decke.
Ein Stück weiter wand Joaquín sich am Boden, krümmte sich wie in Krämpfen. Keuchte. Fletschte die Fänge. Hilflos. Den Arm mit der Kette grotesk nach hinten oben verdreht. Scheinbar unfähig vor Schmerz, sich zu wehren.
Und trotzdem stieß er Worte auf Spanisch hervor.
Atemlos.
Scharf.
Böse.
Höhnisch.
Eben richtete sich der dunkelhaarige Nosferatu neben ihm auf. Sein Großvater stand über ihm. Presste eine Hand auf eine Wunde am Hals. Blut drang zwischen seinen Fingern hindurch, tränkte seinen Hemdkragen. Was von seinem Hemd übrig war; dem Anzug. Krallen hatten
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