Blutbraut
entfernt. Es würde vorbei sein. Der dunkelhaarige Nosferatu drehte meinen Kopf zu sich. Ließ die Finger von meinem Kiefer abwärts zu meiner Kehle wandern, wieder zurück, drückte mein Kinn in die Höhe und zur Seite. Entblößte die Kuhle zwischen Hals und Schulter ein bisschen mehr. Dort, wo knapp darüber die Schlagader pochte. Wann hatte er die Zähne aus meinem Handgelenk genommen? Es war wie damals. Ein hohes Wimmern kam aus meiner Kehle. NeinNeinNein. Verzweifelt stemmte ich mich gegen seine Schulter. Blut rann über meinen Arm. Er beugte sich vor. Ich konnte es nicht verhindern. Sosehr ich es versuchte. Ich konnte es nicht verhinder…
Knurren.
Dunkel. Rau. Böse. Zornig.
Von einer Sekunde zur nächsten war etwas in der Luft … gefährlich. Roh. Strich über mich wie Eis und Feuer zugleich. Die Nosferatu bleckten die Zähne, ließen von mir ab. Kamen hastig auf die Füße. Fauchend. Spreizten ihre Schwingen.
Wieder das Knurren. Dunkler. Zorniger. Joaquín. Geduckt. Die Fänge gefletscht. Augen wie Diamanten. Fahl. Glitzernd. Kalt. Ein Raubtier kurz vor dem Sprung. Frei. Die Schatten waberten hinter ihm, um ihn. Nosferatu. Seine Hand war blutig. Die Handfläche nach innen gekrümmt. Der kleine und der Ringfinger absurd in sie hineingebogen. Genauso wie der Daumen. An der Seite war die Haut zerfetzt; weggerissen. Die Kette lag nutzlos auf dem Boden. Er musste wie verrückt gekämpft haben, um freizukommen. Mit einem Zischen wich der Blonde zurück. Sah zu mir hin, sah zu Joaquín. Ich drückte mich gegen den Pfeiler.
Die Schatten erwachten.
Und dann lächelte Joaquín. Träge. Hob die Hand ein winziges Stück, drehte sie, schnippte Daumen und Mittelfinger leicht gegeneinander.
In der nächsten Sekunde waren da, wo eben noch die beiden Nosferatu gestanden hatten, nur noch nackte, graue Knochen.
Die mit einem leisen Rascheln in sich zusammenfielen.
Asche kräuselte sich wie Rauch über ihnen.
Kein Laut. Noch nicht einmal ein Schrei.
Ich starrte Joaquín an. Und presste mich unwillkürlich fester an den Pfeiler. Oh mein Gott.
Er kam auf mich zu, lächelte noch immer auf diese entsetzlich träge Art. Der Ausdruck in seinen Augen …
»Joaquín …« Er schien mich gar nicht zu hören, kam nur
weiter näher; immer näher. »Joaquín, bitte …« Wie zuvor schob ich mich rücklings an dem Pfeiler vorbei, wich zurück. Immer weiter. Er folgte mir. »Joaquín – « Ich prallte gegen die Wand. »Joaquín, bitte …« Hilflos schüttelte ich den Kopf. »Bitte …« Er blieb erst stehen, als ich an der Mauer gefangen war. Irgendwie brachte ich die Hände zwischen ihn und mich, versuchte, ihn von mir wegzudrücken, schaffte es nicht. Meine Atemzüge hatten sich wieder in ein panisches Keuchen verwandelt. Nein! Bitte, nein! Er starrte mich an, das Blut auf meiner Haut. Die Fänge unübersehbar. Lehnte sich weiter zu mir, stemmte sich rechts und links von mir gegen die Wand – rotes Feuer flammte über das Graffiti; leckte über seine bloßen Arme, die Schultern; ein Zischen, er riss die Hände zurück. Unwillkürlich kniff ich die Augen zusammen, wandte den Kopf ab. Und wimmerte auf, als ich seinen Atem an meinem Hals spürte. »Joaquín, bitte …« Seine Hand strich über meine Schulter, schob sich in meinen Nacken. Seine Lippen berührten meinen Hals. Warm. Zart.
Verzweifelt drückte ich die Hände fester gegen seine Brust. »Joaquín …« Mehr Schluchzen als irgendetwas anderes.
Er stöhnte. »Sprich mit mir.«
»W-was?«
Wieder ein Stöhnen. »Sprich mit mir. Egal worüber. Gib mir etwas, woran mein Verstand sich festhalten kann.« Ein Atemzug. Rau. Abgehackt. »Oder das, was davon noch übrig ist.« Seine Lippen wanderten meinen Hals aufwärts, verharrten unter meinem Ohr. »Bitte. Rede mit mir, Luz. Wenn ich dich inmitten dieses Bannkreises beiße, mit diesen Siegeln auf mir …« Etwas drückte direkt unter meinem Kiefer hart gegen meine Haut. Seine Fänge? Oh mein Gott. Ich schnappte nach Luft.
Erfolglos. »Ich will nicht zur Quelle für ihn werden. Aber ich kann nicht … ich kann mich nicht mehr … Wenn ich dich hier beiße ….« Er sprach immer hastiger, stockender. Jeder seiner Atemzüge beinah ebenso ein Keuchen wie meine. Seine Hand in meinem Nacken zog mich näher an ihn heran. »Ich will ihm nicht geben, was er will, aber ich kann nicht … kann nicht mehr … Du musst gehen, Luz. Du musst gehen, bevor ich die Kontrolle verliere.«
»U-und du?« Sollte mir das nicht egal
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