Blutbraut
… ich …« Mit einem Knurren wandte er sich von mir ab. Am ganzen Körper zitternd. »Geh weg, Luz, bevor ich dir wehtue. Wie der andere. In New York. Malakai.« Tante María hatte geschrien, gebettelt. Blut. Überall Blut. »Geh weg.«
Ich schluckte, holte bebend Luft – wobei ich mich selbst wunderte, dass meine Lungen überhaupt noch funktionierten – , kam ihm meinerseits einen weiteren Schritt entgegen. »Es ist okay.«
Wieder ein Kopfschütteln. Er rieb sich mit der Hand über den Mund. »Geh weg.«
»Nein.« Ich blieb stehen. Streckte die Hand nach ihm aus. »Es ist okay. – Hörst du mich, Joaquín? Es ist okay. Ich will, dass du mein Blut trinkst. Ich will, dass du mich zu deiner Blutbraut machst.« Schlagartig schien er wie erstarrt. Die einzige Bewegung waren seine viel zu hastigen, harten Atemzüge. Langsam machte ich einen weiteren Schritt auf ihn zu. Die Hand noch
immer nach ihm ausgestreckt. »Hörst du mich? Es ist okay. Ich will es.« Keine Armlänge trennte mich mehr von ihm. Er zog die Schultern hoch. »Hörst du mich? Es ist okay. – Es ist okay … Chimo …«
Er drehte sich zu mir um, sah mich an. Der Ausdruck in seinen Diamantaugen …
Ich neigte den Kopf zur Seite. Entblößte meine Kehle. Spürte wie meine Lungen sich jetzt doch zusammenzogen. Blut. Überall. Tante María … Atmen, Lucinda! Ich hob die Hand ein bisschen höher. »Es ist okay.«
»Du kannst das nicht.« Wie in Trance kam er auf mich zu. Bis er ganz dicht vor mir stand. »Du kannst es nicht ertragen …«, flüsterte er. Wie zuvor hing sein Blick an meinem Hals. Mit den Fingerspitzen strich er meine Wange abwärts. Nur aus dem Augenwinkel glaubte ich seine Krallen zu sehen. Atme!
Ich zwang mich zu einem Lächeln, neigte den Kopf ein klein wenig mehr. »Vielleicht.« Irgendwie war ich dankbar dafür, dass die beiden Nosferatu in L.A. meine Kehle verschont hatten. »Aber ich will es.«
»Warum, mi luz? Warum?« Etwas schlug dumpf von der anderen Seite gegen die Mauer aus Schwärze. Joaquín biss für den Bruchteil einer Sekunde die Zähne zusammen.
Der Boden rumorte erneut.
»Weil ich es leid bin, davonzulaufen.«
Weil ich es leid bin, allein zu sein.
»Weil …« … ich erkannt habe, dass ohne dich etwas in meinem Leben fehlen würde. Ich schluckte nur. Konnte es nicht aussprechen. Weil ich mich selbst gerade fragte, wann das geschehen war.
»… weil ich es will.« Ich bemühte mich, fest und entschlossen
zu klingen. Du wirst für den Rest deines Lebens abhängig von seinem Blut sein. Ein elender kleiner Junkie .
Seine Finger erreichten meine Kehle, verharrten über meinem Puls. »Ich kann dein Blut spüren.« Er zögerte erneut. »Dein Herz klopft viel zu schnell.«
Ich wollte mich umdrehen, davonlaufen, schreien. Ich trat noch dichter an ihn heran. So dicht, dass keine Hand mehr zwischen uns passte. »Es ist okay. Ich will es.«
Wie in Zeitlupe senkte er den Kopf, vergrub das Gesicht an meinem Hals, in meinem Haar. Sein Atem war warm auf meiner Haut und verursachte mir zugleich eine Gänsehaut. Wie von selbst schoben meine Hände sich zwischen uns, auf seine Brust, war da eine Stimme, die mich anflehte, ihn wegzudrücken; davonzulaufen, solange ich es noch konnte. Irgendwie schaffte ich es, sie einfach nur auf seiner Haut liegen zu lassen. Wenn er dich beißt, wirst du nie wieder die Sonne ertragen können . Nein! Jenseits der geronnenen Schwärze erklangen Schüsse. Dumpf. Hallend. Weit entfernt.
Er machte einen Schritt zurück, schob sich von mir fort.
Ohne mich loszulassen. Das Gesicht nach wie vor an meinem Hals vergraben. »Ich will das nicht.« Es klang wie ein Stöhnen. »Sie werden mich töten, mi luz.« Seine Lippen berührten meine Kehle. »Sie können gar nicht anders. Jetzt nicht mehr.« Wanderten abwärts zu meinem Schlüsselbein, verharrten knapp über dem dicken Pflaster dort. »›Zuerst stirbt der Mann, dann der Nosferatu.‹« Kehrten zu der Kuhle direkt unter meinem Kiefer zurück. Atme! »Und dann …« Ich spürte sein Zittern. »Ich will dich nicht mit in die Dunkelheit reißen. Ich will nicht, dass du so endest wie Anna. Ich will das nicht für dich, mi luz.«
Anna. Ich unterdrückte das Schaudern. Nein, ich wollte nicht enden wie Anna. Verrückt und verwirrt. Gefangen in einer anderen Welt, in der ich am Ende wie sie auf einen Mann wartete, der niemals zu mir zurückkommen würde. Aber: Was war die Alternative? Sie würden mich garantiert nicht wieder gehen lassen. Falls
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