Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bluteis: Thriller (German Edition)

Bluteis: Thriller (German Edition)

Titel: Bluteis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
Vom Netzwerk:
die unser gemeinsames Programm umbringen wird. Die paar tausend würden sterben, weil es Sie und Ihre Partner reicher macht. Die Milliarde stirbt, damit das menschliche Leben auf diesem Planeten weitergehen kann. Das ist der Unterschied. Sie sterben also einen Opfertod, den Heldentod.«
    »Ihre Logik ist … pervers!«
    »Aber logisch. Wir müssen handeln, Albert, sonst wird unser Planet im Chaos versinken.«
    Albert Sonndobler ging zu seinem Schreibtisch. Er nahm die vergoldete Bronzestatuette, die ihn als Bankier des Jahres auswies, in die rechte Hand und ließ den Kopf der jungen Frau, die kein Gesicht, aber äußerst geschwungene Hüft- und Brustlinien aufwies, in die linke Hand klatschen. Er dachte nach.
    Handeln, ja, handeln musste Albert Sonndobler. Er betrachtete den gesichtslosen runden Kopf der spärlich mit einem zerfransten Kleiderfetzen umhüllten Dame. Der Kopf hatte einen Durchmesser von zwei Zentimetern. Die ganze Figur war knapp dreißig Zentimeter lang. Warum hatten sie eine Halbnackte ausgesucht, um den Bankier des Jahres damit zu würdigen? Weil wir unsere Kunden bis zum letzten Hemd ausziehen? Er grinste in sich hinein. Zum ersten Mal bemerkte er, dass der Erschaffer des Kunstwerks die Füße der jungen Dame offenbar mit einem extraschweren Metall ausgegossen hatte, sonst hätte sie nicht so sicher auf seinem Schreibtisch gestanden. Er hörte im Hintergrund Kayser sprechen, der wieder anhob, um seine Sicht der Welt zu wiederholen. Sonndobler hörte nicht, was der alte Mann sagte, er hörte ihn nur reden. Und reden. Und reden.
    Sonndobler drehte sich um und nahm dabei den Kopf und den Oberkörper seiner bronzenen Statuette in die Rechte. Er kam sich vor wie ferngesteuert, doch gleichzeitig spürte er, dass das, was er gerade tat, aus dem tiefsten Innersten seiner selbst kam.
    Er musste es tun.
    Er musste die drei Schritte auf Lex Kayser zugehen.
    Er musste, während er diese drei Schritte ging, den rechten Arm ausstrecken und nach hinten bringen, um wie Roger Federer zur Vorhand auszuholen.
    Er musste diese Vorhand in den Moment, in dem er einen Meter vor dem auf der Ledercouch sitzenden Kayser angekommen war, mit voller Wucht nach vorn schleudern.
    Die Fußspitzen der Statuette schlugen zwei Zentimeter oberhalb von Lex Kaysers Schläfe gegen dessen Schädel. Wie eine alte vertrocknete Walnuss knackten die Knochen. Sonndobler hatte die Knochennaht zwischen Scheitel-, Schläfen- und Keilbein getroffen.
    Kayser stierte Sonndobler aus weit aufgerissenen Augen an, die bereits nichts mehr fixieren konnten. Dann entfuhr ihm ein letzter Grunzer. Als er von der Couch rutsche, knallte sein bereits gesprungener Schädel mit der gleichen Stelle, wo ihn die Statuette getroffen hatte, gegen den edelstahlumrahmten Beistelltisch, der in der Ecke zwischen den beiden Zweisitzern stand. Das gab dem alten Mann den Rest.
    Albert Sonndobler nahm die Statuette, wischte mit seinem reinweißen Einstecktuch die metallenen Füßchen ab, faltete das Tuch wieder zusammen, steckte es ordentlich in die Brusttasche des Maßanzugs und ließ das Mordwerkzeug in seiner Schreibtischschublade verschwinden. Er tastete den Toten ab und untersuchte seine schmale Aktentasche. Nichts. Kein Tresorschlüssel. In keiner Anzugtasche. Auch nicht an einer Kette um den Hals. Er steckte Brieftasche, Stifte, Mobiltelefon wieder an die richtigen Stellen. Dann ging er zur Tür und riss sie auf.
    »Schnell, den Notarzt, Annemarie! Er ist hingefallen!«, rief er ins Vorzimmer.
    Irgendwann im Roseggletscher
    Vor einiger Zeit hatten sie mit den Versammlungen angefangen. Natalija freute sich jeden Abend, wenn sie sich auf das Schlaffell legte und den Reißverschluss des Daunenschlafsacks bis ans Kinn zuzog, auf die Sitzung des kommenden Tages. Sie hatte so viel zu lernen. Und Kisi brachte ihr alles bei. Der Stundenplan war reichlich vollgepackt mit den unterschiedlichsten Fächern. Morgens zu Beginn ging es meist über Gerechtigkeit, über falsch und richtig, über Menschlichkeit und Unmenschlichkeit. Dann, nach einer kurzen Pause, folgten Stunden über Landwirtschaft und wie man mit biologischem Landbau unendlich viele Menschen auf der Erde ernähren könnte. Es ging weiter mit Theorien über Krankheiten und deren Bekämpfung auf natürliche Art. Es gab kein Thema, zu dem Kisi nicht genau Bescheid wusste.
    Am liebsten mochte Natalija jedoch die Lektionen in Bevölkerungskunde. Denn hier war alles so logisch. Hier herrschten Logarithmen, die jeder

Weitere Kostenlose Bücher