Bluteis: Thriller (German Edition)
Kopf.
»Ja, ganz furchtbar. Dabei stand der Mann in vollem Saft. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere, wenn man so will.«
»Mit knapp siebzig Jahren … Ehrlich gesagt, ich habe immer noch nicht verstanden, was er gemacht hat. Einen riesigen Posten in der Industrie hatte er ja wohl nicht mehr.«
»Er ist der Chef der Osterbacher … gewesen, und dieser Organisation galt sein ganzer Stolz.«
»Ein Debattierclub, sagt man.« Steiner zog die Mundwinkel nach unten.
»Nun, zu unseren Treffen kommen die wichtigsten Manager und Politiker der Erde. Und debattieren, das ist richtig. Aber was sollen sie sonst tun?«
»Die Zentrale der Weltregierung, sagen die anderen.« Steiner hatte wie immer seine Hausaufgaben gemacht.
Sonndobler spielte den Erheiterten: »Ach, mein lieber Herr Steiner, da gibt es ein paar deutsche Journalisten und Weltverschwörungstheoretiker, die bringen ab und an ein Büchlein bei einem obskuren Verlag heraus, in dessen Programm auch die Alien-Forschung eine profitable Heimstatt gefunden hat. Vergessen Sie das alles.«
Steiner streckte seine Beine wieder aus. Er wusste, dass es dort, wo Rauch war, immer auch ein Feuer gab. »Und er hat gesagt, Sie werden was ganz sicher hinkriegen, Herr Dr. Sonndobler?«
»Ich bin sein designierter Nachfolger an der Spitze der Osterbacher.« Sonndobler hatte die ganze Nacht nachgedacht. Er hatte sich vorgenommen, aufs Ganze zu gehen. Er wusste so viel mehr als all die anderen. Er musste die Osterbacher übernehmen. Bevor diese Organisation das tun würde, was selbst die Phantasie der ärgsten Verschwörungstheoretiker überstieg. Er musste diese Rattenbombe entschärfen. Wie anders sollte er das tun, wenn nicht als Chef der Verschwörung selbst? »Im April auf unserer Hauptversammlung wollte er es bekanntgeben.«
»So läuft das bei Ihnen? Gibt es da keine Wahlen des Präsidiums oder so?«
»Gibt es in Ihrem Hause eine Wahl des Amtsvorstehers?«, fragte Sonndobler lächelnd zurück.
»Aber er kann ja nichts mehr bekanntgeben. Wer tut das nun?«
Über diese Frage hatte Sonndobler auch schon nachgedacht. Die halbe Nacht.
»Sein Stellvertreter.«
»Und wer ist dieser Stellvertreter?«
»Ich. Er hat mich im Januar in Davos dazu ernannt.«
Nun verzog Beat Steiner den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Herzlichen Glückwunsch. Bei dieser Konstellation sollte für Sie nicht allzu viel schiefgehen.«
Sonndobler verriet dem Geheimagenten nicht, dass das alles nicht ganz so einfach war, wie er es gerade dargestellt hatte. Denn niemand war Zeuge dieser Besprechungen zwischen Kayser und ihm gewesen. Er hoffte, dass Kayser in der Zentrale der Osterbacher in Manhattan eine Art Testament hinterlassen hatte. Und wenn das so war, dass darin sein Name genannt wurde. Und sollte dies zutreffen, dass sein Name auch nach dem Geschmack der Mächtigen war, die bei den Osterbachern die Strippen zogen, ohne dass sie sich selbst auf den Jahrestagungen blicken ließen. Die großen Familien in New York waren das, und auf deren Plazet war er ebenso angewiesen wie auf die Unterstützung der Männer des Harten Kerns des Leitungsausschusses und einzelner sehr einflussreicher Mitglieder, die keine offizielle Position bekleideten. Er würde sie alle besuchen und um ihre Gunst werben müssen.
Es pochte an der Tür, dann schaute Annemarie Käpplis Bubikopf herein. »Herr Dr. Sonndobler, in fünf Minuten Aufsichtsrat.« Sie schloss die Tür wieder.
»Sie sehen, die Welt dreht sich weiter, mein lieber Herr Steiner. Sie sind nicht wegen der traurigen Geschichte meines Freundes Lex zu mir gekommen, wie ich vermute?«
»Nein, natürlich nicht«, log Steiner. »Das ist ja alles nicht mein Ressort.« Wenn der Anführer einer internationalen Organisation von Spitzenpolitikern und Wirtschaftsbossen in der Schweiz zu Tode kam, war das selbstverständlich sein Ressort. Wenn dies in der Zentrale der größten Schweizer Bank geschah, erst recht. Und wenn der einzige Zeuge der Vorstandsvorsitzende dieser Bank war, dessen Spitzenkunden vor einem Monat während eines irrwitzigen Terroranschlags entführt worden waren, war das nicht nur sein Ressort, sondern verdammt auffällig.
Doch Beat Steiner hatte gesehen, was er sehen wollte. Der angebliche Unfall konnte sich nie und nimmer so ereignet haben, wie es Sonndobler der Polizei gegenüber glaubhaft gemacht hatte. Die beiden Couchen standen ganz einfach zu nahe beieinander. Und sie hatten am vergangenen Tag an ebendiesen Plätzen gestanden, sonst wären
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