Bluteis: Thriller (German Edition)
andere Abdrücke der Couchfüße im Teppich zu sehen gewesen. Doch so hatte der alte Mann nicht aus dem Stand mit der Schläfe auf das Eck des Beistelltisches fallen können, dazu waren die Seitenlehnen der Zweisitzer an deren oberen Ende zu breit. Sein Kopf hätte nur gegen den Tisch schlagen können, wäre er von der Couch hinabgesunken, hätte sich dabei gedreht und wäre zwischen die sich nach unten verjüngenden Armlehnen gerutscht. Irgendetwas hatte Kayser von der Couch rutschen lassen.
Das genügte Beat Steiner. Sonndobler log. Und das würde seinen Grund haben. Steiner würde herausfinden, welcher Grund das war.
»Weswegen sind Sie dann gekommen?«, wollte Sonndobler wissen.
»Wegen unseres Spezialteams, wie Sie sich vorstellen können.«
»Nun?«
»Na ja, Sie haben alle alpinistischen Ziele untersucht, auf die wir die Armee aus strategischen Gründen nicht angesetzt hatten.«
»Die natürlichen Höhlen der Schweiz.«
»Genau.«
»Wieso konnte die Armee die eigentlich nicht absuchen?«
»Mehr darf ich nicht sagen. Die müssen auch nicht alles wissen.«
»Schön. Ich schließe daraus, dass die natürlichen Höhlen der Schweiz Zwecken dienen, die geheim sind und bleiben sollen.«
Steiner schwieg und grinste.
»Also gibt es noch Reste der P-26?«
Steiner zuckte mit den Schultern und legte den Finger vor den geschlossenen Mund.
»Ach, lassen Sie. Natürlich gibt es die. Ist wahrscheinlich auch gut so. Irgendwann werden sie uns überrennen und das ganze Geld und Gold haben wollen, das wir mit Hilfe sämtlicher Potentaten dieser Welt zusammengerottet haben. Die Russen werden kommen. Oder die Chinesen. Oder die Afrikaner. Irgendwann holt Europa der Teufel. Und der macht dann keinen Unterschied, ob es EU ist oder die Schweiz. Dann ist es schön, eine Geheimarmee zu haben, die wenigstens ein paar Lastwagen und Brücken in die Luft sprengt. Bringt nichts, aber verschafft einem ein gutes Gefühl. Wir kleinen Schweizer Igelein wehren uns. Wir zeigen unsere Stacheln. Wir sprengen Brücken, während der Feind den Bundesplatz in Bern aufstemmt und das ganze Gold mitnimmt. Mit Transporthubschraubern. Aber wir haben unser Reduit. Super Gefühl!« Sonndobler hatte sich in Rage geredet. Er fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, um den Speichel aus den Mundwinkeln zu wischen. Nicht ganz bankenvorstandslike, wie er selbst fand.
Beat Steiner kam aufs Thema zurück. »Also die Höhlen scheiden aus. Die Bunker scheiden aus. Die Gebäude haben wir durchsucht. Ich meine, wir haben alle Gebäude der Schweiz durchsucht. Zwei Komma vier Millionen Gebäude. Von zweihunderttausend Soldaten durchsucht. Innerhalb eines Monats. Wir haben keinen Terroristen gefunden. Und keinen der sechs entführten Kunden der Caisse Suisse.«
»Nun?«
»Nun?« Jetzt war es an dem Sicherheitsmann Steiner zu geifern. »Nun wird man peu à peu zum Normalzustand zurückkehren. Das Internet geht ja schon lange wieder. Die Internierungslager sind praktisch leer. Die Straßenkontrollen werden immer laxer. Sie wollen die Freiwilligen, die den Telefonverkehr überwachen, nach Hause schicken. Die Milizionäre ziehen lieber ihren Business-Anzug als die Uniform an und würden diese lieber heute als morgen zusammen mit dem Sturmgewehr wieder in den Schlafzimmerschrank werfen.«
»Trotz der Genf-Geschichte?«
»Sie wissen, wie die internationale Presse reagiert hat: Wir hätten den Erpresserbrief selbst geschrieben, um den Ausnahmezustand möglichst lange aufrechtzuerhalten. Ob das nun Trittbrettfahrer waren oder nicht, der Bundesrat will zur Normalität zurück. Sie doch sicher auch. Sie müssen Ihre Geschäfte wieder nach vorn bringen, Herr Dr. Sonndobler.«
»Ja, das muss ich. Ich würde aber auch gern wissen, wo meine Kunden sind. Irgendwann sickert durch, dass wir es mit einer Entführung zu tun haben. Und dann gnade uns Gott.«
Beat Steiner rührte in dem Kaffee, der inzwischen kalt vor ihm stand, als ob er ihn durch die Drehbewegung mit dem Löffel wieder wärmer kurbeln könnte. Er hatte da noch ein anderes Thema. Die Zeit war reif, damit über den Couchtisch zu kommen. »Mal was anderes, Herr Dr. Sonndobler. Kann es sein, dass Sie und Ihre Bank schon vor St. Moritz erpresst worden sind?«
Sonndobler rutschte nervös auf seiner Couch herum. »Was meinen Sie damit?«
»Die angeblichen Unfälle … Fuchsjagd, Cresta … Sie wissen schon.«
»Gut, das waren Leute, die Konten bei uns haben. Aber das hat fast jedermann in diesem Land. Und
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