Bluteis: Thriller (German Edition)
hatte, die Cougar über das Trümmerfeld am Fuß des Berges zu lenken, um nach Überlebenden zu suchen.
Als sie die niedriger gelegenen Berggipfel überflogen, murmelte Thien Hung Baumgartner: »Ein irrsinnig schöner Tag für eine Skitour.«
Denninger sagte nichts.
Epilog
Montag, 8. April
Cannock, Steffordshire, England, Logistikzentrum der Firma West Midland Global Logistics
D ie ersten Laster rollten um fünf Uhr morgens vor die großen Rolltore, um die Container aufzunehmen. Gegen Abend verließen die letzten den Hof des Logistikzentrums. Bereits am nächsten Morgen würden sie in den Liverpool-Docks auf die Schiffe verladen werden.
Als der Führer des Container-Krans um sieben Uhr seine gewerkschaftlich vereinbarte Frühstückspause einlegte, lehnte er sich im bequemen Sessel seines Führerstands zurück und öffnete vorsichtig die schwarze Tasche mit dem Thermosgeschirr, in dem sich seine Würstchen mit Spiegelei und Mixed Pickles befanden.
Er goss sich Kaffee aus der Thermoskanne ein und schaute zufrieden über den Containerterminal Liverpool 2, über dem sich die aufgehende Sonne durch die Smogglocke der City kämpfte. Fünftausend neue Jobs waren in den letzten Jahren hier entstanden, und er hatte einen der besten davon bekommen. Ohne die Männer in den riesigen Kränen lief hier nichts.
Im Radio brachten sie die Morgennachrichten. Ein Ford mit vier Männern war gestern Nacht auf der M6 kurz hinter Cannock auf einen Betonmischer aufgefahren und ausgebrannt. Die Insassen hatten keine Chance gehabt. Der Kranführer schüttelte den Kopf und murmelte etwas von besoffenen Rasern. Dann stellte er ein Musikprogramm ein.
18. Oktober, 8 Uhr 12
Klinikum Garmisch-Partenkirchen
Als er das Mädchen endlich in den Arm nehmen durfte, liefen Thien Hung Baumgartner die Tränen in Strömen über das Gesicht. Seine Tochter. Endlich etwas, worauf er stolz sein durfte. Unendlich stolz.
»Bald schneit es. Dann gehen wir Skifahren«, sagte er und lächelte sie an.
»In fünf Jahren vielleicht«, sagte Sandra Thaler. Sie lag erschöpft von der Geburt im Krankenhausbett und blickte durch das große Fenster direkt auf die Alpspitze.
»In vier«, widersprach Thien. »Die meisten bei uns fangen mit drei an.«
»Ja, die ganzen Narrischen, die nehmen in Kauf, dass ihre Kinder mit fünfzehn Jahren Knorpelschäden haben.«
»Wer von uns ist Extremsportlerin?«
»Damit ist jetzt Schluss«, erklärte Sandra bestimmt. »Ich werde jetzt Heimchen am Herd.«
»So weit kommt’s noch. Sudokus und Kniffel. So kenne ich meine Sandra.«
»Quatsch. Ich gründe eine Initiative. Frauen der Ersten Welt für Frauen der Dritten Welt. So was in der Art.«
»Du weißt, dass sie alle Nichtregierungsorganisationen verboten haben. Da spielst du lieber erst noch eine Weile Kniffel.« Thien legte sich mit dem Baby im Arm zu seiner Frau ins Bett.
»Wenn das die Schwester sieht. Die hat Haare auf den Zähnen.«
»Die soll sich nicht so haben. Wir sind privat versichert.«
Es klopfte an der Tür. Auf das gemeinsame »Herein« der glücklichen Eltern wurde sie geöffnet, und ein riesiger Blumenstrauß erschien, der allmählich den Blick auf das Gesicht von Markus Denninger freigab.
»Markus!«, riefen die beiden ebenfalls wie aus einem Mund.
»Da schaut ihr. Sie haben mich gestern aus der Reha entlassen. Alles Gute, euch zwei. Nein, drei.« Denninger beugte sich über das kleine Wesen, das mit kohlrabenschwarzen Äuglein unter dem schwarzen Haarschopf die seltsame Welt betrachtete, in die es geboren worden war. »Dutzidutzidutzi«, machte Denninger und setzte sich auf die Bettkante.
»Sie heißt Natalija«, wies ihn Sandra zurecht.
»Kommt mir bekannt vor.«
»War für einige Zeit mein Lieblingsname«, behauptete Sandra.
»Na ja, ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.« Thien machte ein sorgenvolles Gesicht. »Vielleicht solltest du diese Sache hinter dir lassen.«
»Ach was, ich hatte eine großartige Zeit im Gletscher und hab dort viel gelernt.«
»Na, dann heißt unsere Tochter eben Natalija«, fügte sich Thien. Er schlug Denninger auf die Schulter. »Und, was geblieben?«, spottete er.
»Nix, nix, nix, nix, nix …« Denninger tat so, als hätte seine Platte einen Sprung und zuckte im Takt seiner Worte mit dem Kopf.
»Idioten seid ihr«, meinte Sandra dazu. »Darüber macht man keine Witze.«
»Irgendeinen Spaß muss man ja noch machen dürfen«, entgegnete Denninger. »Immerhin hab ich ein echt tiefes Loch im Kopf, wo
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