Bluteis: Thriller (German Edition)
untätig, aber bedrohlich um die Theke herumstanden.
Als alle husteten und sich vornüberbeugten, hatte Thien zumindest einige Sekunden Zeit, seine nächsten Schritte zu planen. Da sah er, dass das Smartphone, mit dem man die Cyborgs steuern konnte, halb aus der Seitentasche von Kisis Skihose ragte. Er fasste sich ein Herz, sprang wieder auf den Tresen und von dort mit seinem ganzen Gewicht auf Kisi. Die beiden flogen drei Meter durch den Raum.
Kisi kam mit dem Hals auf einer Tischkante auf. Sie röchelte und blieb liegen. Thien fummelte das Handy aus ihrer Tasche und schaltete es ein. Die Ansicht eines Videospiels erschien, und wenn er das Telefon hochnahm, spielte die eingebaute Kamera den Blick auf die Wirklichkeit ein und verknüpfte dieses Bild mit der Spielanwendung. Er scannte durch den Raum, und als er das Handy in die Richtung bewegte, in der Markus Denninger am Boden lag, blinkte ein Icon, das ihn einlud, diese Spielfigur zu bewegen.
Er legte seinen rechten Zeigefinger auf das blinkende Zeichen, und Denningers Körper ruckelte wie der Dieselmotor eines Traktors, der seit drei Wintern nicht mehr angelassen worden war. Thien tippte auf das Icon, und Denningers Oberkörper bewegte sich kurz vom Boden nach oben, um dann sofort wieder nach hinten zu fallen.
Als Thien es erneut versuchen wollte, wurde ihm das Handy von der Kostüm-Frau aus der Hand geschlagen. Es rutschte über den Boden des gesamten Speisesaals und verschwand unter einem der Tische.
Die Frau sprang Thien an, und diesmal war Thien nicht schnell genug, um sich rechtzeitig wegzudrehen. Er kam unter der drahtigen Gestalt zu Fall, und dann hockte sie triumphierend auf seiner Brust. Ihre Hände legte sie um seinen Hals und drückte zu.
Thien wurde schwarz vor den Augen. Lange würde er das nicht aushalten. Er kämpfte mit allen Sinnen dagegen an, das Bewusstsein zu verlieren, schlug verzweifelt nach der Frau und versuchte, sie mit den Beinen zu umklammern. Doch dann stürzten sich zwei der Entführten auf ihn, um seine Beine und Arme auf den Boden zu pressen.
Es sah nicht gut aus für Thien Hung Baumgartner. Gar nicht gut.
Sonntag, 7. April, 10 Uhr 27
Hotel Schloss Osterbach
Das Dach des Konferenzgebäudes stürzte ein. Doch das bekam im Inneren des Baus niemand mehr mit.
Keine Servicekraft. Kein Erpresser. Kein Osterbacher überlebte.
Sonntag, 7. April, 10 Uhr 35
Refuge du Goûter
Thien Hung Baumgartner war tot. Oder so gut wie tot.
Er spürte nicht, wie die Umklammerung seines Halses nachließ. Die Frau, die auf seiner Brust saß, wurde regelrecht weggeblasen, als sie der Feuerlöscher am Kopf traf, mit dem Markus Denninger nach ihr schlug. Diesen Treffer, den dritten innerhalb weniger Minuten, überstand sie nicht. Als sie auf den mit weißem Pulver bedeckten Boden aufschlug, lief Blut aus ihrem rechten Ohr.
Denninger schaute hinüber zu der anderen Frau, doch die hatte sich nach ihrem Aufschlag auf der Tischkante nicht mehr gerührt. Vielleicht hatte sie sich einen Halswirbel gebrochen, jedenfalls war sie kampfunfähig. Die Entführten nahmen das mit Bestürzung zur Kenntnis. Sie wollten einer nach dem anderen den großen Kämpfer anfallen, aber der konnte alle Angriffe abwehren. Sie waren durch die dreiwöchige Hochtour zwar fit, aber hatten keinerlei Nahkampferfahrung, und so schickte Denninger sie reihum zu Boden.
Schließlich herrschte Ruhe. Denninger blieb bewegungslos in der Mitte des Raums stehen.
Die Manager trauten sich langsam wieder aus ihren Verstecken. Einer von ihnen hatte das Smartphone in der Hand. Der Vorstand einer Softwarefirma hatte einen Gutteil seiner Jugend an Playstations und X-Boxen verdaddelt, und das war ihnen allen gerade zugutegekommen. Er schaltete das Handy aus.
Das Leben kam in Markus Denninger zurück. Ohne Online-Verbindung zu dem Steuergerät agierte er wie ein normaler Mensch. Als solcher kümmerte er sich um Thien, begann ihn zu reanimieren.
»Wer kann Hubschrauber fliegen?«, fragte er zwischendurch.
Ein bulliger, glatzköpfiger Mann, der von einem Schlag, den ihm Denninger vor wenigen Minuten verpasst hatte, gerade erwacht war, bekam die Frage mit und sagte: »Ich kann es. Glaube ich. Oder ich konnte es einmal. Vielleicht.« Er sah sich in dem vollkommenen Chaos um, in das sich der Speisesaal verwandelt hatte, dann murmelte er: »Sind wir nicht gerade mit einem Hubschrauber aus diesem VIP-Zelt gezogen worden?«
Denninger sagte: »Ich glaube, ich fliege selbst. Sie müssen hier
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