Bluteis: Thriller (German Edition)
aufbauen. Für dich. Für uns.«
Sandra sagte erst einmal nichts. Das, was Thien da gerade von sich gegeben hatte, kam bei diesem sonst so verschlossenen Mann schon einem Heiratsantrag gleich. Er konnte nicht wissen, dass er sich ums Geld zunächst einmal keine großen Gedanken machen musste.
Es wäre ein guter Moment, es ihm zu sagen. Das mit dem Fotohonorar vom stern. Diese Sache im Raintal. Die Dinge, die sie in der Zugspitze gesehen hatte. Der Mann, der sie verfolgt und den am Roseggletscher die Lawine erwischt hatte. Sie hätte ihm sagen müssen, dass sie in größter Gefahr schwebten, dass sie hier wegmussten. Doch wohin?
Aber Thien war gar nicht bei ihr. Er war nur bei seinen Fotos, bei seinem gottverdammten Auftrag.
»Na gut, dann muss auch ich halt bei den Events dabei sein«, sagte Sandra, »statt nur das Nachtleben zu fotografieren. Zwei Kameras sehen mehr als eine. Und wir erhöhen die Chance, dass wir eine spektakuläre Aufnahme bekommen von einem … Mensch, wie rede ich denn? Wie der letzte Paparazzo. Ich fotografiere normalerweise erhabene Gipfel und glückliche Expeditionsteilnehmer.« Sandra dachte mit Wehmut an die Jobs zurück, mit denen sie im Sommer ihr Leben als professionelle Wintersportlerin finanziert hatte.
»Ich hab am Berg auch schon Leute in ihren letzten Sekunden fotografiert«, sagte Thien. »Mir macht das nichts aus.«
»Wow – Thien Hung Baumgartner, der härteste Tiefschneefotograf der Welt!«, spottete Sandra.
»Ich zeig dir gleich, was bei mir am härtesten ist«, sagte Thien und warf seine Freundin aufs Bett.
Mittwoch, 23. Januar, 16 Uhr
Davos, Hotel Schweizerhof, Suite von Albert und Isabel Sonndobler
»Isabel führt die Kreditkarte aus. Sie ist mindestens zwei Stunden unterwegs.« Sonndobler nestelte an den Knöpfen von Annemarie Käpplis Bluse herum.
Sie öffnete den Reißverschluss seiner Anzughose, fasste hinein und spürte durch die feine Baumwolle der Zimmerli-Boxershorts, mit welcher Freude das Glied des mächtigsten Bankers Europas diese Terminbesprechung mit seiner Chefsekretärin quittierte. »Du bist ein schlechter Mensch, Albert. Aber ein guter Mann«, schnurrte sie. Sie schob sich den Rock hoch und schlüpfte hastig aus ihrer Nylonstrumpfhose. Dann drehte sie sich, um die Tagesdecke vom King-Size-Bett beiseitezuschlagen. Sonndobler nutzte die Gelegenheit. Kaum hatte sie ihm den Rücken zugewandt und sich nach vorn gebeugt, umklammerte er ihre Hüfte mit dem linken Arm, und mit der rechten Hand riss er ihren Slip nach unten. Das florale Dekor auf dem Stoff, mit dem die Wand am Kopfende des Bettes bespannt war und das Orchideenblüten mit fleischigen Lippen und phallusförmigen Stempeln zeigte, erregten ihn fast noch mehr als der kleine feste Hintern direkt vor ihm.
Er drang ungestüm in sie ein. Sie quiekte auf und ließ sich nach vorn auf das Bett fallen.
Zweieinhalb Minuten später war Sonndobler fertig. Er küsste sie im Nacken, ging ins Bad und wusch sich.
Als auch sie sich gewaschen und ihr graues Kostüm wieder angezogen hatte, setzten sich beide an den Besprechungstisch der Suite und taten so, als wäre nichts gewesen.
»Also, heute Abend. Wen soll ich treffen? Und wen nicht?«
»Wie in jedem Jahr sind am ersten Tag die ganz Wichtigen noch nicht da. Die deutsche Kanzlerin kommt morgen. Abends dann das Treffen der Osterbacher. Den französischen Präsidenten musst du getrennt meeten, der ist kein Osterbacher. Aber wir müssen ihn besser kennenlernen. Sozialist. Schrecklich. Ab Samstag ist der amerikanische Präsident da. Den will ja jeder haben. Ich hab aber vom State Departement dieses Jahr immerhin eine halbe Stunde bekommen. Das zeigt, wie wichtig der Mann nach wie vor die Euro-Krise nimmt. Aber ich bin überzeugt, dass wir uns diesmal noch mehr auf die Chinesen konzentrieren müssen. Ich hab eine Extraliste mit den größten Unternehmern und den Regierungsvertretern angelegt. Und zwei Dolmetscher reserviert. Du kannst dich vierundzwanzig Stunden am Tag auf Chinesisch unterhalten, wenn du willst.« Annemarie Käppli nahm die Listen aus ihrer Schreibmappe und legte sie vor Sonndobler auf den Tisch.
»Sehr gut vorbereitet, wie immer. Meine Frage war: Wen soll ich mir heute Abend vornehmen?«
»Die Afrikaner.«
»Die Afrikaner? Die meisten Staaten haben ein kleineres Bruttosozialprodukt, als eine mittlere schweizerische Chemiefirma im Quartal Umsatz macht. Was wollen wir mit denen?«
»Ich hab einen Bericht unserer
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