Bluteis: Thriller (German Edition)
aussehen.«
»Obwohl es so viele sind? Da macht doch der eine oder andere auch einmal einen Fehler.«
»Ja, dann haben wir den einen oder anderen. Aber der führt uns nicht unbedingt zu weiteren von ihnen. Sie sind nicht organisiert. Und wenn wir einen erwischen, dann staunen wir. Wie im Fall des Sohnes eines chinesischen Parteifunktionärs. Vielleicht haben Sie das gelesen. Der junge Mann, der in Peking zwei Studenten mit seinem Ferrari totgefahren hat. Und dessen Vater daraufhin nicht ins Politbüro einzog, sondern nun als Bauer zehntausend Kilometer weit weg sein Leben fristet. Das war eine Rettungsaktion. Der junge Mann war zuvor noch nie in seinem Leben in einem Auto gesessen. Er macht sich nichts aus Autos. Und schon gar nicht aus Ferraris. Wir mussten ihn verschwinden lassen. Es geht nicht, dass der Sohn eines angehenden Politbüromitglieds der chinesischen KP ein Anhänger der Lehren von Kisi ist.«
»Und die ganze Familie musste ebenfalls weg?«
»Natürlich. Darum die Geschichte mit dem Ferrari. Denen glaubt weder in China noch im Westen noch jemals irgendwer irgendwas. Den Kerl einfach umzubringen wäre weniger effektiv gewesen.«
»Aber in China? Sagten Sie nicht, Kisis Anhänger seien die Kinder des Westens?«
»Der Westen geht weiter, als manche glauben, lieber Albert. Mercedes-Benz verkauft in keinem Land der Welt mehr S-Klasse-Automobile.«
Sonndobler war der Ansicht, dass er sich nach diesen Eröffnungen ebenfalls einen Whiskey genehmigen durfte, und schenkte sich einfach selbst einen Fingerbreit ein. Er leerte ihn in einem Zug.
»Sehen Sie, Albert«, fuhr Kayser fort, »ich habe eine Menge mit Ihnen vor. Ich werde im November fünfundsiebzig. Ich suche junge Männer, die in meine Fußstapfen treten. Die mit diesen ganzen neuen Entwicklungen groß geworden sind. Dieses Internet, dieses Gesumme auf allen Datenleitungen, das ist nichts mehr für mich. Ich will die letzten paar Jahre an meinem See in Kanada verbringen und auf Bären schießen. Darum habe ich Sie heute in den Harten Kern aufgenommen. Nur … ich bin nicht der Einzige, der über meine Nachfolge entscheidet. Sie wissen, wer die Männer sind, die hinter unserer Organisation stehen. Und bei denen müssen Sie sich beweisen. Und außerdem: In den Hirnen der Männer, die eben gerade unten die Lobby dieses Hotels verlassen, rumort es in diesem Moment gewaltig: Wie lange macht es der alte Kayser noch? Ist er wahnsinnig geworden? Er lässt sich mit einer afrikanischen Terroristenchefin ein? Wird er im April abgelöst? Werde ich ihm nachfolgen? In elf Köpfen, die gerade durch die Davoser Promenade zu irgendeinem Abendessen marschieren, gehen diese Fragen um.«
»In zwölf Köpfen, um genau zu sein.«
»Danke für Ihre Offenheit. Ja, Sie haben recht. Natürlich fragen Sie sich, was mit mir los ist. Wie konnte ich mich nur dieser Frau ausliefern? Sagen wir es so: Viagra war kein Segen für die Menschheit. Ein Fünfundsiebzigjähriger muss nicht eine Frau die ganze Nacht durch eine Suite im New Yorker Plaza-Hotel vögeln.«
Sonndobler räusperte sich. Er wollte sich nicht vorstellen, was dieser alte Mann mit dieser Frau im Plaza getrieben hatte.
»Zurück zum Thema. Sie sind das erste Opfer des Krieges dieser Truppe. Eine Truppe, die nicht einmal einen Namen hat. Nennen wir sie die Ungewaschenen, bleiben wir dabei. So haben wir sie immer genannt. Und die Ungewaschenen kommen jetzt aus ihren Verstecken und gehen auf einen der wichtigsten Osterbacher los. Ihre Kunden, lieber Albert, werden auf Veranstaltungen umgebracht, die Sie sponsern. Ihre Bank wird erpresst . Sie selbst werden erpresst. Es wird Sie nicht beruhigen, wenn ich Ihnen sage, dass Sie nicht allein bleiben werden. Weitere große Unternehmen werden folgen. Doch bis dahin ist der Ruf Ihrer Bank schon ruiniert. Wenn ich richtigliege. Es kann natürlich auch sein, dass diese Leute bald das große Ding durchziehen. Denn das werden sie eines Tages.«
»Hat Ihnen das diese Kisi erzählt?«
»Ach, woher! Die hat mir nie ihre Pläne erzählt. Sie wollte mich nur wissen lassen, dass es sie gibt. Und was sie kann. Sie hat gedacht, sie könne mich allein dadurch umstimmen, auf ihre Seite zu wechseln.«
»Doch statt das zu tun, haben Sie ihr den Krieg erklärt?«
Kayser nickte.
»Und wer auf unserer Seite führt den Krieg? Wer ist unsere Armee, von der Sie vorher gesprochen haben?«, wollte Sonndobler wissen.
»Endlich eine nach vorn gewandte Frage.« Axel Kayser stand auf und ging
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