Blutengel: Thriller
Mangold.
»Nein.«
»Nein? Wieso nicht?«
»Er hat in der Wohnung wie ein Irrer eine Handyrechnung gesucht und ist damit verschwunden.«
»Eins nach dem anderen. Weitz sucht nach einer Handyrechnung und haut dann damit ab, ohne was zu sagen? Wohnte die Frau allein?«
»Es gibt Männersachen im Flur und in einem Zimmer, das Weitz durchsucht hat.«
»Bitte sehen Sie nach, ob Sie einen Namen entdecken. Und nicht auflegen.«
Als Kaja Winterstein ihm den Namen durchgegeben hatte, bedankte sich Mangold.
»Das ist das letzte Puzzleteil. Sind die Berliner Kollegen noch vor Ort?«
»Ja, aber ich verstehe nicht.«
»Sie werden die Wohnung verlassen und sich vergewissern, dass Ihnen auf der Straße niemand folgt. Verstehen Sie?«
»Was soll das?«
»Tun Sie, was ich sage. Gehen Sie jetzt da raus und halten Sie unbedingt Ihr Handy in Bereitschaft. Und gehen Sie an einen belebten Ort. Schnell.«
*
Der Tunnel war genau genommen eine gekachelte Röhre, die unter einer stillgelegten Eisenbahnstrecke entlangführte. Marc Weitz drückte die Zweige auseinander und vergewisserte sich, dass er im Notfall sein Versteck schnell verlassen konnte.
Was, wenn der Mann Sienhaupt vorher tötete? Spontan? Ihn hier nur ablegte? Was, wenn er sich nicht hatte provozieren lassen? Er seinen Partner nicht hierherbrachte?
Je mehr er darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher kam es ihm vor, dass er Sienhaupt genau an der Stelle tötete, an der seine Lebensgefährtin von Binkel vergewaltigt worden war. Erstaunlich eigentlich, dass der Serienkiller sich nicht diesen Verrückten vorgenommen hatte. Der war doch der eigentliche Täter. Er war es, der seine Lebensgefährtin vergewaltigt und misshandelt hatte.
Zwei Schulkinder stapften durch den Tunnel. Erste oder zweite Klasse, schätzte Weitz. Er sah auf die Uhr. Seit einer Stunde lag er jetzt hier auf der Lauer.
Einer der Jungen kickte eine Flasche zur Seite, dann begann der Größere plötzlich zu laufen.
Weitz zog sein Handy aus der Tasche. Besser, er rief im Präsidium an und brachte in Erfahrung, wie weit sie waren. Natürlich musste er ihnen mitteilen, welchen Namen er am Briefkasten gelesen hatte.
Er verstaute das Handy wieder in seiner Tasche. Das konnte warten. Eine Viertelstunde wollte er noch drauflegen.
Wie oft hatte er sich in den letzten zwei Stunden ausgemalt, wie es wäre, wenn er mit dem Täter ganz selbstverständlich in den Hamburger Konferenzraum marschierte und den Mann einfach ablieferte.
Er drückte den Rücken durch und sah sich um. Weit und breit niemand zu sehen.
Plötzlich hörte er ein Geräusch hinter sich, doch bevor er sich umdrehen konnte, spürte er den Lauf einer Pistole an seinem Hinterkopf.
35.
Hensen drehte sich vom Beifahrersitz aus kurz zu Tannen um und sah auf die mathematischen Symbole, die den Bildschirm füllten. Tannen zog gerade eine weitere Sienhaupt-Datei von seinem USB-Stick.
»Wir brauchen ein Übersetzungsprogramm für unser Genie.«
»Keine schlechte Idee«, sagte Mangold.
»Könnte es sein, dass er ein GPS-Signal in sein Handy eingebaut hat?«
»Ich hab’ das überprüft«, antwortete Tannen. »Wenn es eines gibt, ist das entweder ausgeschaltet oder nicht mit seiner Mobilnummer verbunden.«
»Mist«, sagte Mangold und beschleunigte den Wagen.
»Er wird auch den nächsten Mord zelebrieren«, sagte Hensen. »Es geht ihm zwar nicht um Sienhaupt, aber er will mit seinen Morden die Öffentlichkeit wachrütteln.«
»Dann wird er sich einen passenden Ort suchen«, erwiderte Mangold.
Hensen sah auf die Fahrbahn und nickte nachdenklich.
»Wie wäre es mit der Glaskuppel des Reichstags.«
»Zu auffällig«, erwiderte Mangold.
»Er weiß, dass dies sein letzter Mord wird, ich bin sicher, er bastelt an einem furiosen Finale.«
»Also, wo könnte es stattfinden?«
»Im Berliner Polizeipräsidium?«, schlug Hensen vor.
»Er hat bei seinen Tatortinszenierungen immer religiöse Anspielungen gemacht. Das ist ihm wichtig. Die Farben Marias beim Münchner Opfer, ein hergerichteter Papst in Florenz …«
»Ich glaub’, ich hab’ hier was«, sagte Tannen. »Könnte sich eignen.«
»Raus damit«, sagte Mangold.
»In Sienhaupts Dateien gibt es den Hinweis auf eine Ausstellung.«
»Eine Verbindung zu den Gemälden, die er nachgestellt hat?«, hakte Mangold nach.
»Es werden Beuys-Werke gezeigt. In einer Kirche. Sienhaupt hat das Dokument jedenfalls gespeichert, kurz bevor er verschwunden ist.«
»Wo werden die gezeigt?«, fragte
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