Blutengel: Thriller
hinterher: »Die ersten Kameras auf diesen Monitor, die anderen auf den zweiten, wir teilen es uns auf.«
»Selbstverständlich, wenn Sie daran denken, uns eine Bescheinigung …«
Mangold erhob sich drohend, und der Beamte drückte sich rasch durch die Tür.
Fünf Minuten später flimmerten grobkörnige Schwarz-Weiß-Bilder über die Bildschirme.
»Ich hätte meine Sonnenbrille mitnehmen sollen«, sagte Hensen und sah auf den Schirm.
»Glaubst du, Sienhaupt lebt noch?«, fragte Mangold unvermittelt.
»Keine Ahnung. Für ihn ist Sienhaupt ein Mitarbeiter der Polizei. Und die wiederum gehört zum Staat. Der Staat und die Kirchen aber sind in seinen Augen die Schuldigen. In ihren Heimen und Einrichtungen ist das alles passiert.«
»Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt?«
»Nein«, sagte Hensen. »Dies ist ein Feldzug gegen den Staat und die Kirche, gegen Verjährungsfristen, die für die Täter gelten. Nicht aber für die Opfer, die ihr Leben lang mit diesem Missbrauch leben müssen. Verurteilt werden nicht diese Perversen, seien sie nun in Kutten oder einem schicken Anzug unterwegs.«
»Du fängst doch nicht an, diese grauenhaften Serienmorde zu rechtfertigen?«, sagte Mangold.
»Natürlich nicht. Allerdings: Weggeschlossen werden Leute wie Jens Binkel, der nach den pädagogischen Leistungen von solchen Gangstern wie Carolus losgeht und Frauen vergewaltigt.«
»Das mit dem Rachefeldzug leuchtet schon ein. Aber wir haben alle Heimkinder, die Auffälligkeiten zeigten, durchsiebt. Da kommt niemand als Täter in Betracht.«
Hensen rieb sich die Augenbrauen. Dann starrten sie wieder auf ihre Monitore.
»Wir werden auf den Sohn des Priesters stoßen, ich schwör’s dir. Aber wir wissen eben noch nicht, wer es ist. Hinter welchem Namen er sich verbirgt«, sagte Hensen.
»Du meinst, wir kennen ihn?«
»Ich bin mir sicher. Denk an dieses Spinnennetz.«
»Du glaubst allen Ernstes, es ist einer von uns?«, fragte Mangold.
»Zumindest hatte er den Zugang in die Datenbanken der Polizei«, sagte Hensen. »Wie ich das hasse!«
Mangold lachte.
»Du und hassen?«
»Stimmt, mit meiner tollen Meditation bin ich noch nicht weit. Ich kämpfe mir auf dem Kissen meinen Hintern ab. Und das kannst du wörtlich nehmen.«
»Also, was ist es? Was hasst du?«
»Ach, dieses ganze Entschuldigungsgefasel. Diese betroffen in die Kamera blickenden Kardinäle, Bischöfe, Priester, Pfarrer, Patres, Schulleiter und Erzieher, die in den Heimen und Schulen schwere Verbrechen begangen haben. Sie glauben, sie müssten ihre Entschuldigungen nur oft genug wiederholen, damit alles vergeben und vergessen ist. Appellieren an die christliche Nächstenliebe. Zum Kotzen.«
»Was sollen sie denn tun?«, sagte Mangold.
»Keine Ahnung. In die Wüste geschickt werden, nach Darfur, sich gegenseitig die Stinkefüße zu waschen, reicht da wirklich nicht aus. Gibt es keine Leprastationen mehr? Wie wär’s, wenn die gesamte Schar von schuldigen Priestern, Patres und Bischöfen dort Latrinen säubert. Alle, die ihre Schwänze nicht im Zaum halten können.«
»Klingt nach Mittelalter«, sagte Mangold.
»Und das immer gleiche ›Entschuldigung‹, ›Entschuldigung‹ ist die moderne Zeit, oder was?«
Plötzlich schlug Hensen mit den flachen Händen auf den Tisch. Mangold schnellte herum. »Darf ich vorstellen?«, sagte Hensen. »Araneus angulatus.«
Mangold stieß sich mit den Füßen ab und rollte mit dem Stuhl auf Hensens Tisch zu. Das Bild zeigte einen Mann, der sich langsam der Kamera näherte, den Hut abnahm und hineinlächelte.
»Erkennst du ihn?«
»Moment«, sagte Hensen, stoppte die Aufnahme und zoomte das Bild heran.
»Nein, das gibt es doch nicht!«, sagte Mangold in das Läuten des Telefons hinein.
Während Mangold noch auf das Bild starrte, nahm Hensen den Hörer ab.
»Ja, Tannen. Wir haben ihn hier. Direkt vor uns. Auf einem kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bild. Nein, wir informieren niemanden in Berlin, wir holen Sie am Eingang des Präsidiums mit dem Wagen ab. Haben Sie seine Adresse?«
Als er aufgelegt hatte, klingelte das Telefon. In knappen Worten informierte Kaja ihn über den Selbstmord von Simone Jaspers.
»Machen Sie sich keine Vorwürfe«, sagte Mangold. »Wir können nicht vor jeder Befragung ein ärztliches Gutachten einholen.«
»Ich hätte rücksichtsvoller vorgehen können. Ihre Ärzte fragen …«
»Die Frau war in keinem Krankenhaus, sie lebte zu Hause.«
»Trotzdem.«
»Ist Weitz bei Ihnen?«, fragte
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