Blutengel: Thriller
auch schon im Labor.
Alles würde viel schneller gehen, wenn diese Idioten von der Internen nicht ständig ihre Spielchen mit ihm trieben. Sollten sie doch mal die Polizisten in die Mangel nehmen, die ihre Hand aufhielten. Aber da trauten sie sich natürlich nicht ran.
Jens Schiermacher blätterte schweigend in seinen Papieren.
»Es war eindeutig Notwehr …«
»Weitz, gehen Sie jetzt.«
Auf dem Flur sah er sich spähend um. Nur jetzt Mangold nicht begegnen und die ganze Kiste noch einmal erklären. Er musste sich um Carl Nicolai kümmern. Der Mann war reif. Ein zitterndes Bündel – und das war genau der Zeitpunkt, um mit einem Verhör nachzusetzen. Jetzt saß er wieder auf der anderen Seite des Schreibtisches. Und er war es, nach dessen Taktstock die Musik spielte.
Noch bevor er die Tür des Verhörraums hinter sich schloss, sah er die Veränderung. Carl Nicolai saß aufrecht hinter dem Tisch und beäugte das Mikrofon vor sich. Keine Spur mehr von den eingezogenen Schultern und dem flackernden Blick.
Weitz schob seinen Stuhl an den Tisch und schaltete das Aufnahmegerät ein.
»Wie nennen Sie die Bilder, die Sie malen?«
Carl Nicolai sah ihn belustigt an.
»Die haben ganz unterschiedliche Titel, manche auch gar keinen. Ich bin da für Vorschläge noch ganz offen.«
»Dies ist kein Kunstgequatsche. Ich meine den Stil, oder wie man das nennt.«
»Die Blutbilder heißen Blutbilder.«
»Seit wann malen Sie solche Bilder?«
»Immer schon. Als Kind hab’ ich Rattenblut genommen.«
»Wieso Ratten?«
»Keine Ahnung, ich hab’ mal ’ne zerdetschte Ratte auf der Straße gefunden, und ihr Blut … also der Fleck, das ergab eine Figur.«
Weitz setzte alles daran, seine Anspannung unter Kontrolle zu halten. Hatte ihnen nicht die Psychotante Winterstein erzählt, dass Serientäter in ihrer Kindheit oft Tiere quälten?
»Was malen Sie denn so? Ich meine, was wollen Sie mit Ihren Bildern zeigen?«
»Gar nichts. Da läuft Blut die Leinwand runter, und das ist es auch schon.«
»Das können Sie mir nicht erzählen.«
»Ich bin Maler. Mit Interpretationen hab’ ich nichts zu tun, dass müssen Sie schon selbst rausfinden.«
»Schön, also moderne Kunst, oder wie man das nennt.«
»Wie man das nennt, ist mir egal.«
»Nicolai, wir halten hier keinen Künstler-Smalltalk. Was für Blut benutzen Sie? Und wo haben Sie das her?«
»Zunächst Stierblut«, sagte Nicolai.
»Lassen Sie sich nicht alles aus der Nase ziehen. Sie gehen auf eine Weide und zapfen den Kühen Blut ab oder was?«
»Blut bekommt man beim Schlachter seines Vertrauens.«
»Ich habe eine Probe von Ihrem Bild abgekratzt und ins Labor gebracht. Also, ich frage Sie noch mal: Was ist das für Blut?«
»Menschenblut«, sagte Nicolai mit tiefer Stimme. Dann sah er ihn fröhlich an.
»Sie wollen mich verarschen«, sagte Weitz.
»Nö.«
»Haben Sie etwas mit dem Tod von …«
»Hab’ ich.«
»Sie geben zu, dass Sie Tanja Binkel, Karl Wengmann und Hans Innach getötet haben?«
»Heißen die so?«
»Was denn nun?«
»Ja, ja, klar. Hab’ ich umgebracht.«
Weitz überlegte angestrengt, wie es weitergehen sollte.
Würde er jetzt Mangold informieren und das Ganze sich als Spaß eines Verrückten herausstellen … Das gesamte Präsidium würde sich über ihn lustig machen.
»Sie sind sich darüber im Klaren, was Sie da sagen?«
Nicolai grinste, hob seine Hände über den Tisch und machte mit einer Geste deutlich, dass er bereit war, sich Handschellen anlegen zu lassen.
»Wie haben Sie Tanja Binkel umgebracht?«
»Ich hab’ Sie verkehrt herum an die Decke gehängt, das wissen Sie doch.«
»Das könnten Sie auch in der Zeitung gelesen haben.«
»Muss ich Ihnen jetzt beweisen, dass ich es war? Was nehmt ihr Bullen? Ich will auch was von dem Zeug.«
»Sie sind geil auf Zeitungsberichte, was?«
Weitz bemerkte, wie sich auf Nicolais Stirn eine Falte bildete. Er hatte ins Schwarze getroffen.
»Sie sehen die Schlagzeilen schon vor sich«, sagte Weitz. »Verrückter malt mit Blut seiner Opfer.«
Carl Nicolai grinste ihn an.
»Sie sehen schon die perversen Kunstsammler vor Ihrer Tür, die Tausende Euro für Bilder aus angeblichem Menschenblut hinblättern, stimmt’s?«
»Das nennt man Kunstmarkt.«
»Und du Wichser glaubst, dass ich dir dabei helfe?«
»Sie haben mein Geständnis.«
»Einen Scheiß hab’ ich.«
»Aber ich gebe alles zu!«
Jemand öffnete die Tür zum Verhörraum.
»Jetzt nicht!«, sagte Weitz, ohne sich umzudrehen.
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