Blutengel: Thriller
Binkel und sah Carl Nicolai an. »Er will uns Angst machen.«
»Wenn ich dir Angst machen will, fange ich das ganz anders an. Darauf darfst du dich schon freuen«, sagte Weitz. »Hattest du die Möglichkeit, hier über mehrere Stunden, vielleicht sogar Tage, raus zu kommen?«
»Klar«, sagte Binkel.
»Du gibst also zu …«
»Du bist doch von der Mordkommission … rate mal, was mein Freund hier macht. Ich meine, wenn er uns Irre mal nicht unterrichtet?«
»Muss mich das interessieren?«
Kaja, die die ganze Zeit neben Weitz gestanden hatte, trat einen Schritt dichter an den Tisch und sah Binkel freundlich in die Augen.
»Weitz, was macht er denn so, Ihr Bruder … oder will er uns das vielleicht selbst erzählen?«
»Sie kennen doch die Geschichte mit unseren tausend Augen, die alle kleine Spiegel sind?«, sagte Binkel.
»Erzählen Sie’s mir.«
»Lauter klitzekleine und verflucht scharfkantige Spiegelchen sind das. Die liegen bei uns im Gehirn herum und sehen in die Welt. Und sie machen nichts als spiegeln, spiegeln, spiegeln. Und sie spiegeln mal die böse Stiefmutter, die sich sogleich die Finger daran ritzt, und sie spiegeln auch meinen Bruder Carl hier.«
»Carl ist ein Spiegel?«
»Wir sind Spiegelwesen.«
Binkel stieß ein meckerndes Lachen aus.
Carl Nicolai rutschte unruhig auf seinem Stuhl.
»Und was macht er nun, dieser Spiegel-Freund Nicolai?«, setzte Kaja nach.
Jens Binkel schob verschwörerisch den Kopf über den Tisch.
»Er malt«, flüsterte er und deutete mit dem Zeigefinger auf Nicolai. »Er malt mit Blut.«
13.
Tannen durchtrennte mit seiner Scheckkarte das Siegel an der Wohnungstür und schob den Schlüssel ins Schloss.
Als er den Schlüssel im Berliner Präsidium abgeholt hatte, war er ruppig behandelt worden. Kommissar Arlandt hatte entweder einen schlechten Tag erwischt, oder er zeigte ganz direkt, was er davon hielt, dass man ihm diesen Fall weggenommen und einer Hamburger Sonderkommission übertragen hatte.
Tannen betrat die Wohnung, die aussah, als wären die Möbelpacker während des Umzugs in den Streik getreten. Auf dem Boden lagen Verlängerungskabel, Bücher- und Zeitschriftenstapel, Sofakissen und Sitzauflagen. Sämtliche Papiere waren in Kisten fortgeschafft und die Festplatte aus dem Computer ausgebaut worden.
Die Berliner Kollegen hatten gründliche Arbeit geleistet und dennoch: Das, was an Beweismitteln gesichtet worden war, wies eine gewaltige Lücke auf.
Was war mit den Unterlagen zu dem verurteilten Pfleger Schurmann? Wo waren Tanja Binkels persönliche Papiere wie Universitätsurkunden, Studienbücher oder Bewerbungsunterlagen? Wo ihre private Korrespondenz? Eine Frau in Tanja Binkels Alter musste doch Briefe aufbewahren. Auch Familienfotos gab es nicht.
Entweder hatte der Täter die Dokumente mitgenommen, oder aber Tanja Binkel selbst hatte sie beiseitegeschafft.
Nach den Ermittlungen der Berliner Polizei hatte sie bei keiner Bank ein Schließfach gemietet. Auch engere Verwandte oder Freunde, bei denen sie ihre Unterlagen deponiert haben konnte, gab es nicht.
Tannen ging durch den Flur und öffnete den Schuhschrank. Nein, diese Wohnung barg keinerlei nennenswerte Verstecke, die nicht sofort von den Berliner Kollegen untersucht worden wären.
Er setzte sich auf die Couch im Wohnzimmer und betrachtete die Markierungen, die die Lage von Spuren markierten. Keine davon hatte einen Anhaltspunkt auf diesen Killer mit seinen lateinischen Sprüchen gebracht.
Tannen seufzte und begann, die Wände nach Hohlräumen abzuklopfen.
Die Wohnung sah aus, als hätte man ihr die Seele herausgerissen. Auf dem Tisch stand noch das Glas, aus dem Tanja Binkel in den letzten Stunden ihres Lebens getrunken haben musste. Die Fingerabdrücke, die man davon abgenommen hatte, stammten ausschließlich von ihr.
Nachdem Tannen die Wände im Wohnzimmer abgeklopft hatte, untersuchte er die Fußleisten. Auch die zeigten keinerlei Spuren, die darauf hindeuteten, dass man sie an irgendeiner Stelle entfernt und etwas darunter verborgen hatte.
Er zog gerade den Kühlschrank von der Wand, als sein Handy klingelte.
»Hensen hier, Tannen, wo stecken Sie?«
»In Tanja Binkels Wohnung.«
»Was gefunden?«
»Keine Spur von ihren Unterlagen.«
»Ich bin in München«, sagte Hensen. »Sie fehlen mir.«
Tannen musste schlucken.
»Bitte?«
»Na ja, denken Sie an unseren Ausflug nach Bremen. Als wir auf die Lösung des Schachrätsels gekommen sind.«
»Ja, und?«
»Sie haben mich
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