Blutengel: Thriller
überlegt?«
»Aber Sie haben den Termin abgesagt und …«
»Sie müssen sich irren.«
Das eben noch freundliche Gesicht der Frau am Tresen nahm einen mitleidsvollen Ausdruck an.
»Erinnern Sie sich nicht? Sie haben angerufen und gesagt, Sie hätten noch einmal gründlich nachgedacht. Das kommt oft vor.«
»Unsinn, ich habe Sie nicht angerufen.«
»Entschuldigung, aber das Gespräch ist bei mir gelandet.«
»Ich habe nichts abgesagt.«
Auf der Stirn der Schwester bildete sich eine Sorgenfalte.
»Es war Ihre Stimme, ganz sicher, es war Ihre Stimme.«
»Sie wollen mit mir geredet haben?«
»Frau Winterstein, ich will Ihnen wirklich nicht zu nahe treten, aber ich bitte Sie ganz herzlich: Suchen Sie unseren Psychologen auf. Ich kann Ihnen gleich für morgen einen Termin machen. Der mentale Stress, der mit einer Abtreibung verbunden ist …«
Kajas Handy signalisierte eine Nachricht. Als Absender leuchtete »Liferescue« auf. Lebensrettung!
Die Buchstaben tanzten vor ihren Augen.
»Kaja, sind nicht genug Menschen gestorben? Niemand sollte sterben. Nicht durch deine Hand. Nicht durch meine Hand.«
*
Clemens Carolus sah sich suchend um und betrat dann die Telefonzelle. Was für eine Szene. Wie aus einem schlechten amerikanischen Krimi. Aufträge an die Unterwelt aus einer öffentlichen Telefonzelle!
In was für einen Sumpf hatte ihn dieser Spinner getrieben?
Aber am Ende würde er Recht behalten. Man musste das Netz nur auswerfen. Und warten können.
Carolus zog den Zettel aus seiner Tasche und wählte die Mobilnummer. Der Mann konnte sonst wo sitzen, aber was ging das ihn an? Hauptsache, er schaffte diesen Mist aus der Welt. Eine Männerstimme meldete sich.
»Diesmal geht es nicht um Einschüchterung. Also nicht nur in der Gegend herumballern und ein paar Polizisten auf Trab bringen. Haben Sie verstanden? Ich will, dass Sie den Mann erledigen. Und es muss beim ersten Mal funktionieren.«
»Wenn Sie’s nicht glauben, kann ich mein Honorar gern verdoppeln.«
»Ich will eine saubere Arbeit.«
»Wo wir gerade über das Honorar reden. Dies ist eine ganz andere Sache, das ist Ihnen doch klar?«
Jetzt konnte er auch noch mit diesen Typen feilschen. Zum Erstaunen von Carolus akzeptierte der Mann am anderen Ende der Leitung die Summe sofort, die er bot. War es zu viel? Himmel, er kannte sich mit Auftragsmorden nicht aus. Höchste Zeit, dass er sich wieder auf Dinge konzentrierte, von denen er etwas verstand.
Nachdem er ihm knapp Namen und Adresse des Mannes übermittelt hatte, verließ Carolus die Telefonzelle.
Erinnern konnte er sich zwar nicht an ihn, aber alles fügte sich zusammen und bildete einen Zeigefinger, der genau auf diesen Mann zeigte. Er musste es sein. Und sollte diese Serie weitergehen … gut, dann gab es einen zweiten Kandidaten. Irgendwo musste er einen Anfang machen. Kollateralschäden waren bedauerlich, aber dem Spuk musste ein Ende gesetzt werden. Unerfreulich, dass die neu eingerichtete Sonderkommission es nicht geschafft hatte, den Mann aus seinem Loch zu treiben.
Zum Abendessen hatte er Pasta vorbereitet. Eine kleine Entschädigung für seine Frau, die in den letzten Wochen so manchen Abend allein hatte verbringen müssen. Anschließend wollte er sie in ein Weinbistro entführen. Familie war schließlich das, was blieb. Familie war wichtig. Also kein Verkriechen mehr. Schluss damit.
*
Peer Mangold zog sich am Geländer die Treppen hinauf und machte in der zweiten Etage eine Pause.
In der Küche musste noch eine Flasche Shiraz stehen, und mit ein bisschen Glück gab auch der Gefrierschrank noch eine Pizza her.
Im Treppenhaus roch es nach Braten und verkochtem Wein. Als er seinen Schlüssel in die Wohnungstür steckte, gab sie nach. Kein Zweifel, der Essensgeruch kam aus seiner Küche!
Im Flur hörte er klassische Musik. Vorsichtig drückte er die Tür zum Wohnzimmer auf und legte die Hand auf den Knauf seiner Waffe, als plötzlich Lena vor ihm stand. In einem Abendkleid aus den 1970ern, das sie aus einem Altkleidercontainer gezogen haben musste.
»Schatzi, du kannst schon mal die Kerzen anmachen, Essen ist gleich fertig.«
Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Fieberhaft überlegte er, wie er seine Nachbarin loswerden konnte. Noch vor zwei Wochen wäre das einfach gewesen, er hätte bloß ihre Eltern anrufen müssen. Doch seitdem sie volljährig geworden war, nun ja.
Die Küche sah aus, als hätten die Insassen eines Kreativ-Kindergartens Promi-Dinner gespielt.
»Es gibt
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