Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bluterde

Bluterde

Titel: Bluterde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Praxmayer
Vom Netzwerk:
Er kannte Mudaku. Er war unberechenbar und launisch wie ein altes Krokodil. Aber auch genauso schlau. Seit mehr als drei Jahren waren sie Geschäftspartner. Seither schlief Basabo mit Pistole unter dem Kopfkissen.
    »Beruhige dich, er weiß nichts!«
    »Warum hat dann die Polizei in der Lagerhalle von Intermet herumgeschnüffelt?«
    Mudakus Stimme hatte einen hämischen Unterton angenommen.
    »Zufall. Sie waren auch bei anderen Comptoirs in Bukavu.«
    »Was macht dich eigentlich so sicher, dass der Kleine die Klappe gehalten hat?«
    Basabo hätte am liebsten aufgelegt, aber das war unter seiner Würde. Wie ein Vater, der seinem begriffsstutzigen Sohn einen schwierigen Sachverhalt erklärt, erwiderte er geduldig:
    »Weil ich ihn kenne und weil er nichts von unserer Verbindung nach Ruanda weiß. Ich verstehe überhaupt nicht, warum du dich so aufregst. Du sitzt in deinem verdammten Dschungelcamp und bist fein raus, während ich hier den Arsch hinhalten muss.«
    Basabo hörte das Klicken eines Feuerzeuges und das gierige Inhalieren eines Nikotinsüchtigen.
    »Mein Bruder hätte die kleine Ratte erschießen sollen, als er die Gelegenheit dazu hatte«, sagte er im Plauderton zwischen zwei Zügen.
    Basabos Magen schäumte mittlerweile, als ob er einen Becher Salzsäure gekippt hätte. Immerhin hatten sie es Crocodile zu verdanken, dass sie in dieser beschissenen Situation waren. Ihre Partner hatten sich klar ausgedrückt: Der Frau einen gehörigen Schrecken einjagen, damit sie den ersten Flieger zurück nach Deutschland nahm. Damit wären alle Probleme aus der Welt geschafft gewesen, McAllister wäre nie aufgekreuzt und alles ginge seinen gewohnten Gang. Aber sie hatten die Rechnung ohne Crocodile gemacht. Basabo war aus allen Wolken gefallen, als er über die Entführung informiert wurde. Nur ungern erinnerte er sich an das Telefonat, das er nach dieser Neuigkeit hatte führen müssen.
    »Entweder du holst ihn da raus, oder wir machen das auf unsere Art.«
    Crocodiles Stimme war wieder ruhig und freundlich geworden. Dem General schien es sogar, als ob er ein Lächeln heraushören würde.
     
    Lea rannte, Ado fest im Arm. Ihre Lungen brannten, sie bekam kaum mehr Luft. Als sie sich umdrehte, waren ihr Crocodiles Männer immer noch dicht auf den Fersen. Verdammt! Der Boden war glitschig, sie taumelte, rutschte, fiel der Länge nach hin. Ado segelte in hohem Bogen ins Gebüsch. Sie sah sein angstvolles Gesicht.
    »Neeeiiin!«
    Lea schreckte hoch. Ihr Atem ging schwer, das Herz raste. Wo war sie? Nach einem Augenblick der Orientierungslosigkeit wurde ihr klar, dass alles nur ein Traum gewesen war. Sie holte tief Luft und blinzelte in das trübe Licht, das die Glühbirne an der Decke verströmte. Das Rechteck des Fensters war dunkel. Es musste Nacht sein. Neben ihr auf dem Bett lag Ado, immer noch eingewickelt in die Decke. Seine Augen waren geschlossen, der Atem ging regelmäßig, aber rasselnd. Er schlief. Zumindest hoffte sie das. Würde er ins Koma fallen, konnte sie nichts mehr für ihn tun. Sie setzte sich auf und dehnte ihren Nacken. Obwohl sie seit Ewigkeiten das erste Mal wieder in einem Bett geschlafen hatte, tat ihr jeder Muskel weh. Außerdem juckten ihre Beine. Sie zog ein Hosenbein hoch. Das Licht war schlecht, trotzdem konnte sie die roten Flecken erkennen, die ihr Schienbein überzogen. Bettwanzen. Passen gut zu meinen Blutergüssen, dachte sie, stand auf und ging zum Wasserhahn. Trinken oder nicht trinken? Verdursten oder an Diarrhö sterben? Das war wie Cholera oder Pest. Sie entschied sich, vorerst lieber durstig zu bleiben. Die Unruhe, mit der sie aufgewacht war, hing ihr noch in den Knochen. Wieder ging sie in ihrem Kämmerchen auf und ab, bis der Rhythmus ihrer Schritte sie ruhiger gemacht hatte. Diese endlosen Stunden des Wartens. Nichts, womit sie ihr Gehirn beschäftigen konnte, nichts, das sie ablenkte. Sie war es so leid. Was hatte der Typ gesagt? Er konnte und wollte sich nicht um sie kümmern. Würde er sie hier unten verrotten lassen? Lea presste ein Ohr an die Tür und lauschte angestrengt. Nach einer Weile glaubte sie, Stimmen zu hören. Es war nicht mehr als ein undeutliches Murmeln, aber sie empfand es als beruhigend. Wenn sie bewacht wurde, hatte man sie nicht vergessen. Sie tastete das Innere ihrer Hosentasche ab und fand ein paar letzte Kekskrümel, die sie gierig von ihren Fingerspitzen leckte. Der süße Geschmack, der sich in ihrem Mund ausbreitete, war wie eine ferne Erinnerung an ihr

Weitere Kostenlose Bücher