Bluterde
musst was fressen, sonst stirbst du!«
Lea konnte ihre Tränen nicht zurückhalten. Ihr war klar, dass Ado nicht überleben würde, wenn nicht ein Wunder geschah. Sein Körper streikte, er hatte zu viel durchgemacht. Von Femi wusste sie, wie gefährlich menschliche Nähe für die Tiere sein konnte. Eine einfache Erkältung, harmlos für Menschen, konnte einen ausgewachsenen Gorilla töten. Ihr Immunsystem ist auf die fremden Krankheitserreger nicht vorbereitet. Während sie das kranke Tier beobachtete, schlug ihre Verzweiflung um in Zorn. Was für ein Irrsinn! Zuerst hatte Crocodile ihn illegal aus dem Dschungel geholt, um ihn zu verkaufen. Und jetzt ließ er das Tier einfach verrecken. Kein Schwein hatte sich während der ganzen Zeit um ihn gekümmert. Er war unterernährt, dehydriert und grausam misshandelt worden. Vermutlich war er nicht das einzige Opfer, für gewöhnlich erschossen Wilderer die Mütter, um an die Jungen zu kommen. Am liebsten hätte sie die Türe eingetreten. Ados rasselnder Atem ließ sie aufmerken. Hatte sie das vorher überhört? Er klang wie eine Säge. Nervös sprang sie auf und lief in der Kammer auf und ab. Denk nach! Was hilft bei einer Erkältung? Wärme, Schlaf, Tee trinken … Natürlich! Trinken, damit der Kreislauf stabil blieb. Tee war nicht verfügbar, aber sie hatte Wasser. Sie nahm das kleine Bündel an sich und ging hinüber zum Waschbecken. Ohne viel Federlesen hielt sie Ados Kopf unter den Wasserhahn, damit die Tropfen direkt auf seinem Mund landeten. Als er die Feuchtigkeit auf seinen Lippen spürte, öffnete das Gorillaaby die Augen und sah Lea verstört an.
»Ist nur Wasser«, redete sie beruhigend auf ihn ein. Sie hatte Glück. Der kleine Affe war zu schwach, um sich zu wehren, und durch die halb geöffneten Lippen fanden die Tropfen ihren Weg in seine Kehle. Nach einer Weile wurden ihre Arme lahm. Ado war schwerer, als er aussah. Sie setzte sich auf das Bett, dorthin, wo die wenigsten Flecken waren, und lehnte sich gegen die Wand, den kleinen Gorilla fest im Arm. Sollte der Cowboy doch kommen und sie so sehen. Ihr war es egal, sie würde Ado nicht mehr in seinen Käfig zurückstecken.
»Omari! Wo zur Hölle ist Femi?«
Die Röte stieg McAllister langsam vom Hals ins Gesicht.
»Keine Ahnung. Er war schon weg, als ich heute Morgen ins Büro kam.«
McAllister war sauer, aber Femi war schließlich nicht dazu verpflichtet, sich bei seinem Chef-Ranger abzumelden. Er klopfte mit dem Bleistift einen unruhigen Rhythmus auf die Schreibtischplatte.
»Ich verstehe das nicht. Wir starten heute Nacht Operation Digit und der Kerl verschwindet einfach. Hat der sie noch alle? Was kann wichtiger sein?« Er hatte mehr zu sich selbst gesprochen, aber Omari schien sich verpflichtet zu fühlen, seinen Chef zu verteidigen.
»Femi weiß ganz genau, um was es geht. Vielleicht erträgt er die Anspannung nicht mehr und ist zu den Gorillas rausgefahren.«
McAllister sah von dem Bleistift auf und zog einen Mundwinkel leicht nach oben.
»Das bezweifle ich. Aber egal, ich kann mir jetzt keine Gedanken über Femis Befindlichkeiten machen, ich muss in einer halben Stunde am Flughafen sein. Drückt uns die Daumen, Jungs!«
McAllister stürmte grußlos aus dem Büro und stieg in den WPS-Landrover. Aber noch bevor er losfahren konnte, klopfte Omari an die Scheibe. McAllister kurbelte das Fenster nach unten.
»Ich fahr dich.«
»Nein, ist …«
»Geht nicht anders, wir brauchen das Auto hier.«
Als Omari McAllisters fragenden Blick sah, fügte er hinzu:
»Femi ist mit dem anderen unterwegs.«
Während der ganzen Autofahrt sprachen sie kein Wort. McAllister stierte ins Nichts. Hätte Omari Gedanken lesen können, wäre er über seinen mentalen Zustand vermutlich erstaunt gewesen. Operation Digit belastete ihn wenig, alles, woran er im Moment dachte, war das Netzwerk. Das Netzwerk, das er mit ein wenig Glück bald auffliegen lassen würde. Er fühlte ein fast kindliches Glück in sich aufsteigen, ermahnte sich jedoch selbst. Triumphgefühle waren noch nicht angebracht, dafür war es zu früh. Aber er fühlte, dass er nah dran war. Näher als jemals zuvor.
»Wo soll ich dich rauslassen?«
»Am Haupteingang.«
McAllister war schon halb aus dem Auto ausgestiegen, als Omari ihm eine Hand auf die Schulter legte.
»Pass gut auf dich auf und bring Lea wieder zurück!«
Er drehte sich um und blickte in Omaris besorgte Hundeaugen. »Keine Angst, dieses Mal wird es klappen. Versprochen!«
Mit
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