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Bluterde

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Titel: Bluterde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Praxmayer
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früheres Leben. Sie stand vor der Tür, und obwohl die Glühbirne Licht spendete, ertrank sie an ihrer inneren Dunkelheit.
     
    Obwohl die Männer nur ein paar Meter entfernt von ihm auf dem Boden hockten, waren ihre Konturen kaum auszumachen. Alles war schwarz. Ihre Kevlar-Helme, auf denen die Nachtsichtgeräte wie bizarre Insekten saßen, die schusssicheren Westen, die Handschuhe, sogar ihre Gesichter hatten sie geschwärzt. Draußen würden sie vollständig mit der Nacht verschmelzen. In dem alten Holzverschlag, der früher als Geräteschuppen genutzt wurde, war es eng, obwohl sie nur zu fünft waren. Nur das Allernötigste wurde gesprochen. Sie mussten noch drei Stunden bis zum Einsatz totschlagen. Im Kopf ging McAllister noch einmal Operation Digit durch. Es war nur ein Gedankenspiel, um nicht einzuschlafen, denn er war dazu verdammt, während des gesamten Zugriffs im Schuppen zu bleiben. Der Kommandozug, mit dem er die Zeit absaß, war für den Angriffssektor »Lagerhalle-Rückseite« zuständig. Die anderen KSK-Leute würden sich seitlich an das Avomex-Gebäude heranpirschen, während die Scharfschützen gut getarnt irgendwo da draußen lagen, um ihnen Feuerschutz aus der Distanz zu geben. So weit der Plan. McAllister sah, wie der Pointman einen kleinen Behälter aus den Taschen seiner schwarzen Cargo-Hose holte und ihn öffnete. Vorsichtig fuhr er mit einem Finger in die Öffnung und holte eine getrocknete Chilischote heraus. Als er McAllisters Blick bemerkte, grinste er schief, steckte sich die Schote in den Mund und fing an zu kauen. Dann hielt er den Behälter McAllister hin. Der schüttelte den Kopf. Ihm war klar, dass der Pointman als Verantwortlicher bei der Stürmung des Gebäudes hellwach sein musste, aber ihm reichte ein Kaugummi völlig aus. Er wickelte den Streifen aus dem Papier und schob ihn sich zwischen die Zähne. Neben ihm kratzte einer der Soldaten gedankenverloren an einem Stück Tapeband an der Innenseite der Schuhlasche. McAllister wusste, dass jeder der Männer an exakt derselben Stelle und zusätzlich unter den Knieschonern einen solchen Streifen kleben hatte. Die Blutgruppe war in großen Lettern darauf vermerkt. Selbst Elite-Soldaten mussten damit rechnen, bei einem Einsatz verwundet zu werden, und diese Streifen waren ihre Lebensversicherung.
    Je näher der große Moment rückte, umso ruhiger wurde McAllister. Das Einzige, was an seinen Nerven zehrte, war das lange Sitzen. Er stand auf, stieg vorsichtig über die Ausrüstungsgegenstände am Boden und stellte sich an die Stirnseite des Holzverschlags. Ihr Versteck lag perfekt, am Rande des Flughafengeländes, wo die Scheinwerfer es nicht mehr erreichen konnten. Die Männer hatten ein Loch in eine der Holzlatten gebohrt. Er hatte einen freien Blick auf die Lagerhalle. Alles war dunkel und ruhig. Nachdem sich seine Augen an das Schwarz gewöhnt hatten, entdeckte er den hohen Zaun, der das Flughafengelände vom Avomex-Firmengelände abgrenzte. Für den großen Bolzenschneider, der auf dem Boden lag, würde dieses Hindernis kein Problem darstellen. McAllister schaute auf seine Uhr. Die Zeiger krochen wie träge Schnecken vorwärts. Plötzlich nahm er hinter sich ein eindringliches Flüstern wahr. Er drehte sich um und sah den Pointman, der hinter vorgehaltener Hand leise in sein Funkgerät sprach. Er winkte McAllister zu sich.
    »Sind Ihre Kollegen hier irgendwo in der Nähe in Position?«
    McAllister blickte in die verärgerten Augen des KSK-Soldaten.
    »Nein! Wieso?«
    »Unsere Scharfschützen haben ein Auto beobachtet, das zwei Mal in der Nähe der Lagerhalle vorbeigefahren ist. Jetzt parkt es in einem Kilometer Entfernung hinter einem Bürogebäude.«
    »Das sind nicht meine Leute.«
    Der Pointman hob sein Funkgerät zum Mund und wandte sich ab.
    »Negativ.«
    Die Person am anderen Ende erwiderte etwas, das McAllister nicht verstand.
    »Verstanden, roger«, antwortete der Pointman und steckte das Funkgerät wieder ein.
    »Das war Truppenführer Hecht. Er wollte sicherstellen, dass niemand unerwartet am Zugriffsort auftaucht.«
    McAllister spürte Wut in sich aufsteigen. Was dachte Hecht? Er hatte es mit Interpol und nicht mit einer Gruppe Dorfpolizisten zu tun. Aber so schnell, wie seine Wut gekommen war, verrauchte sie auch wieder. Wenn er ehrlich war, hätte er als Verantwortlicher genauso gehandelt. Die Mission war zu brisant, um irgendetwas dem Zufall zu überlassen. Es war eine Stunde nach Mitternacht. In ungefähr einer Stunde

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