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Bluterde

Bluterde

Titel: Bluterde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Praxmayer
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fragte McAllister in die Runde.
    »Wird gerade von der Polizei abgeholt und in Gewahrsam genommen«, kam prompt die Antwort aus der Ecke mit dem Papierkorb.
    »Gut«, murmelte McAllister und nahm sich den ersten Ordner in den Regalen vor. Seitenweise Gesteinsanalysen. Er stellte ihn wieder zurück und zog den nächsten heraus. Jemand hatte gewissenhaft Kundenanfragen abgeheftet. Er setzte sich damit an den Schreibtisch und blätterte den Ordner durch. Nach einer Weile fand er, wonach er suchte: Eine Coltan-Order von Reinharz in Deutschland. Gut. Bestimmt würden sie irgendwo auch die dazugehörigen Exportpapiere finden. Daran war nichts Illegales, aber für McAllister der erste belastbare Beweis, dass Geschäftsbeziehungen zwischen Avomex und Reinharz in Deutschland bestanden. Jetzt musste er tiefer graben. In seinem Kopf stieg ein Bild auf. Als kleiner Junge hatte er von seinen Eltern ein Puzzle mit tausend Teilen geschenkt bekommen. Nachdem er sie alle auf den Boden verstreut hatte, überfiel ihn Panik. Wie sollte er aus all diesen Teilen jemals den Eiffelturm zusammenfügen? Das hier fühlte sich ganz ähnlich an. Crocodile, General Basabo, Intermet, Avomex, Reinharz – das waren die Puzzlestücke, die er jetzt richtig legen musste.
    »Geschafft!«
    McAllister drehte sich um und sah Stephane vor dem offenen Tresor stehen.
    »Bitte, bediene dich!«
    Sein Kollege machte eine einladende Geste und packte sein Werkzeug zusammen.
    »Soll ich mich jetzt um den Rechner kümmern?«
    »Bau ihn ab und bring ihn ins Büro«, erwiderte McAllister. Er hatte jetzt keinen Kopf für den Computer, seine Aufmerksamkeit galt dem Tresor. Sein Puls stieg an, als er sich der Öffnung näherte. Würde er hier finden, wonach er schon so lange suchte? Er angelte sich einen leeren Karton und stellte ihn zu seinen Füßen. Er griff in den Safe und holte ein paar Bündel Dollarnoten heraus. Mit einem dumpfen Knall landeten sie im Karton. Wahrscheinlich Schwarzgeld, aber das interessierte ihn nicht. Darunter kam eine Pistole zum Vorschein. Ein russisches Modell. Patronenschachteln. McAllister legte alles vorsichtig neben die Geldbündel. Ein Vertrag, achtlos in eine Klarsichthülle geschoben. Auf den ersten Blick ein Kaufvertrag über ein Grundstück in Kigali. Uninteressant. Eine Dokumentenmappe mit der Handelszulassung. Kontoauszüge. McAllisters Laune sank in den Keller. Bisher nichts, was ihn weiterbringen würde. Es war äußerst unwahrscheinlich, dass die Kontoauszüge Aufschluss brachten. Dafür waren die Typen zu clever. Eine dünne Papiermappe. Aus beigefarbenem Karton, abgegriffen und schmutzig, von einem Gummiband zusammengehalten. Ohne viel Erwartung klappte McAllister den Deckel auf. Fotos! Eine halb nackte Frau räkelte sich lasziv auf dem Schoß eines Mannes. Das Bild war leicht verwackelt, sein Gesicht von der üppigen Oberweite der Frau verdeckt. Trotzdem bekam McAllister feuchte Hände. Die Finger, die sich besitzergreifend in die prallen Oberschenkel der Frau gruben, trugen schwer an den protzigen Goldringen. McAllister hatte diesen geschmacklosen Schmuck schon einmal gesehen. Erst kürzlich, in Bukavu. Er drehte das Bild um, die Rückseite war leer. Er legte das Foto zur Seite und nahm sich das nächste vor. Fast hätte er laut aufgelacht. Im Vordergrund wieder das Paar, doch bei dieser Aufnahme war der Bildausschnitt größer. Dahinter, im Halbdunkel, weitere Männer mit ihren Gespielinnen. Sie saßen in einer Bar. Was war das? Ein Betriebsausflug? Hektisch blätterte McAllister durch die restlichen Fotos. Die meisten waren ziemlich unterbelichtet und oft verschwommen, fast so, als ob sie in aller Eile heimlich aufgenommen worden wären. Sein Blick saugte sich an einem Bild fest. Wieder dasselbe Szenario, wieder die protzigen Goldringe im Vordergrund, aber dieses Mal war der Hintergrund schärfer. Wenn er sich nicht täuschte, saß da General Basabo und lachte aus vollem Hals. McAllister grinste. Dir wird das Lachen schon noch vergehen, dachte er. Er erstarrte, als er das letzte Foto zwischen den Fingern hielt. Hinter Basabo und seiner Nutte standen zwei weiße Männer. Der eine wandte dem Fotografen den Rücken zu, nur sein spärlicher Haarkranz war im Halbdunkel zu sehen. Den anderen hatte er im Profil erwischt. Zwar unscharf, aber McAllister hatte eine gute Vorstellung davon, wer der Kerl war. Mit diesen Fotos hatte sich wohl jemand eine Lebensversicherung zugelegt. Oder die Grundlage für eine Erpressung geschaffen.

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