Bluterde
war kalt.
»Lea, es tut mir leid! Ich konnte nicht wissen, dass Messner so überreagiert! Das musst du mir glauben.«
Lea rutschte auf ihrem Sessel, soweit es ging, nach hinten, dann hob sie den Kopf und sah ihn an.
»Wie konnte ich mich nur so in dir täuschen?«
Sie saß wie angenäht auf dem Polstermöbel.
»Du hast mich als Köder benutzt«, fuhr sie mit monotoner Stimme fort.
»Hast mich mit Informationen gefüttert, in der Hoffnung, dass ich damit zu Messner laufe. Um zu sehen, wie er reagiert. Und ich habe genau das getan. Dein Plan ist aufgegangen.«
Sie tat, als ob sie überlegen würde.
»Woher wusstest du, dass ich in den Kongo reisen würde?«
»Wusste ich nicht. Die ganze Sache hat eine unglückliche Eigendynamik entwickelt.«
Lea schenkte ihm ein kühles Lächeln.
»Eine unglückliche Eigendynamik? So nennst du das also.«
Sie beobachtete ihn wie Ungeziefer unter dem Mikroskop. Die winzigen Schweißperlen über seiner Oberlippe, die roten Flecken, die sich an seinem Hals ausbreiteten. Er presste die Lippen aufeinander, wich ihrem Blick nicht aus.
»Ich wünschte, ich könnte alles ungeschehen machen. Nie im Leben hätte ich dich absichtlich dieser Gefahr ausgesetzt. Bitte glaube mir!«
Er warf ihr einen zerknirschten Blick zu und fügte leise hinzu:
»Dafür bist du mir zu wichtig.«
Er versuchte, ihr über die Wange zu streichen, aber Lea drehte den Kopf weg.
»Nicht. Bitte.«
Ihre Augen waren nass.
»Und ich dachte, du …«
Weiter kam sie nicht. Ihre Stimme versagte.
»Was muss ich tun, damit du mir verzeihst? Bitte, sag es mir!«
Sie stand auf und nahm ihren Mantel.
»Ich weiß es nicht, Ian. Ich kann jetzt nicht denken. Ich muss nach Hause.«
McAllister erhob sich aus dem Sessel und machte einen Schritt auf sie zu. Eine Weile standen sie sich stumm gegenüber, dann zog McAllister sie an sich. Lea ließ es geschehen.
»Darf ich dich anrufen?«, flüsterte er. Sie löste sich aus seiner Umarmung.
»Keine Ahnung. Ich brauche jetzt erst mal Zeit.«
Sie hatte ganz vergessen, wie leuchtend das Grün des Dschungels war. Verzaubert beobachtete Lea, wie das Sonnenlicht in der Krone eines mächtigen Ebenholzbaumes flimmerte.
»Wir müssen weiter«, hörte sie Femis Stimme leise hinter sich. Zügig schloss sie zu Omari, Joseph und Denis, dem Neuen, auf. Riesige Farne, Kletternesseln und Bambusstauden sanken unter ihren Machetenhieben zu Boden. Lea tat es fast leid um die Pflanzen. Aber sie wusste, dass schon in ein paar Tagen nichts mehr von den Bemühungen der Ranger zu sehen sein würde. Plötzlich hob Omari die Hand. Leas Herz schlug schneller. Sie drehte sich voller Vorfreude zu Femi um. Sein breites Grinsen erwartete sie bereits.
»Lea, komm hierher!«
Omaris Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Sie drückte sich an den drei Männern vorbei und schob sich direkt neben den Chef-Ranger.
»Da! Ganz hinten!«
Leas Augen folgten der Richtung, in die sein Zeigefinger wies. Ganz am Ende der Lichtung sah sie einen Gorilla, der im Gras lümmelte und auf einem Zweig kaute. Auf Omaris Zeichen schoben sie sich vorsichtig noch ein paar Meter näher. Jetzt hatten sie freie Sicht. Ihre Hände wurden feucht. Sie machte den Hals lang, um die Tiere besser sehen zu können.
»Ist er da?«
»Ganz rechts, im Halbschatten«, kam die Antwort von Femi, der hinter ihr Position bezogen hatte. Hätte Lea sein Gesicht gesehen, wäre ihr sein Blick aufgefallen. Ein Blick, der ihr alles erzählt hätte. Über seine Gefühle für sie, über zerplatzte Träume und enttäuschte Hoffnungen.
Lea kniff die Augen zusammen. Sie entdeckte zwei halbwüchsige Gorillas, die ausgelassen im Gras balgten.
»Welcher von den beiden?«
Doch sie musste Femis Antwort nicht abwarten. Die beiden Tiere waren des Spielens überdrüssig geworden und beäugten die Besucher neugierig aus der Ferne. Sie sah sofort den hellen Fleck an seiner Schulter. Lea wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Kivu! Das war ihr kleiner Kivu! Wie sehr er in diesen drei Monaten gewachsen war. Erinnerungen stürmten auf sie ein. Ihre Knie wurden weich, sie musste sich an Omari festhalten.
Plötzlich bewegte sich ihr Schützling auf sie zu. Lea hielt den Atem an. Das war nicht gut. Er sollte sich fernhalten. Femis größte Sorge bei Kivus Auswilderung war, dass er sich zu sehr an die Gegenwart von Menschen gewöhnt haben könnte. Tiere, die ihre natürliche Scheu vor Menschen verloren haben, sind extrem leichte Beute für
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