Bluterde
der anderen Seite der Leitung schraubte sich wieder eine Oktave höher.
»Weil er sicherstellen will, dass diese Affenforscher endgültig aus dem Minengebiet verschwinden.«
»Erpressung? Herrgott, dieser Bimbo hat wirklich weniger Grips als ein Gorilla. Wo ist sie jetzt?«
»Keine Ahnung. Ich schätze, in seinem Camp.«
»Was wirst du unternehmen?«
»Ich?«
»Ist hier sonst noch jemand am Telefon? Natürlich du. Lass dir was einfallen. Irgendetwas. Meinetwegen schaff sie aus dem Kongo und setze sie irgendwo an einer Straße ab.«
Er wechselte das Handy in die andere Hand und unterdrückte ein Seufzen. Sein Auftraggeber hatte keine Ahnung, wovon er da sprach.
»Und wie stellst du dir das vor?«, fragte er mit matter Stimme.
»Muss ich nicht. Dein Job. Du bist schließlich ein einflussreicher Mann in Bukavu.«
Die Magensäure machte sich auf den Weg in seine Speiseröhre. Er griff nach dem Pillenfläschchen auf dem Schreibtisch.
»Man kann einem wie Crocodile nicht einfach befehlen, die Geisel abzuliefern«, erwiderte er vorsichtig.
»Dein Problem. Entweder du findest eine Lösung oder ich muss mich nach einem neuen Partner umsehen. Korrupte Beamte und Militärs gibt es in Bukavu wie Sand am Meer.«
Das süffisante Lachen kränkte seinen Stolz. Seine Hand ballte sich reflexartig zu einer Faust. So konnte man nicht mit ihm umgehen! Er starrte auf die Knöchel und träumte von einer rechten Geraden, die mitten im käsigen Gesicht seines Auftraggebers landete.
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10. KAPITEL
L ea hörte Stimmen vor der Hütte. Jemand machte sich an der Holztüre zu schaffen. Sie presste sich an die Rückwand, dort wo es am dunkelsten war. Wenigstens würde man sie nicht sofort sehen, das gab ihr ein paar Sekunden Zeit, die Situation abzuschätzen. Ihr Körper zitterte unkontrolliert, ihr Magen ballte sich zu einem harten Knoten. Die Tür schwang auf und zu Leas Überraschung betrat eine Frau ihr Gefängnis. In ihrem Wickelkleid, das mit orangen und gelben Kreisen übersät war, wirkte sie in der düsteren Umgebung wie ein Fremdkörper. Um den Kopf hatte sie ein schmuddeliges, blaues Tuch geschlungen. Lea vermochte nicht zu sagen, wie alt sie war. Ihr Gesicht war rund und faltenfrei, aber um Augen und Mund lag ein verhärmter Zug. Die beiden Frauen standen sich für Minuten gegenüber und musterten sich. Ein schüchternes Lächeln erschien auf dem Gesicht der Besucherin. Sie hielt Lea einen Blechnapf voll mit gelblichem Brei hin. Schon beim Anblick der Pampe bekam Lea Brechreiz. Eine Fliege war weniger wählerisch und versenkte ihren Rüssel sofort in Leas Abendessen. Die Frau ging einen Schritt auf sie zu und hielt den Napf noch ein Stück höher.
»Manger!«
Lea hielt ihre gefesselten Hände hoch.
Die Frau überlegte, dann griff sie mit der linken Hand in den Brei, formte geschickt eine Kugel und hielt sie Lea an den Mund. Obwohl Leas Magen vor Hunger schmerzte, ließ der ranzige Geruch sie würgen. Sie schüttelte angewidert den Kopf. Die Frau starrte sie irritiert an. Dann stellte sie den Napf auf den Boden, zauberte eine kleine Flasche Wasser aus ihrem Kleid, drehte sich um und ging. Lea sank zu Boden. Sie wusste, dass sie essen musste, aber sie konnte sich einfach nicht dazu überwinden, den stinkenden Kleister in sich hineinzustopfen. Nicht nur roch er ekelhaft, Lea war auch davon überzeugt, dass er vor Bakterien und anderen lebensgefährlichen Organismen strotzte. Wenigstens hatte sie sauberes Wasser. Menschen verdursten eher, als dass sie verhungern, tröstete sie sich. Ein Brennen stieg in ihrer Kehle auf, sie schluckte und würgte, rang nach Luft. Sie hatte plötzlich das Gefühl, zu wenig Sauerstoff in ihre Lungen zu bekommen. Schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ruhig! Ruhig! Komm schon! Ein, aus, ein, aus! Ganz ruhig! Erst als es ihr gelang, ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen, ebbte der Panikanfall ab.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sich die Türe erneut mit lautem Knirschen öffnete. Die Frau in dem bunten Kleid huschte herein und warf einen Blick auf den unberührten Blechnapf. Sie hob ihn hoch, ging damit in die hinterste Ecke der Hütte, hockte sich hin und grub mit ein paar schnellen Bewegungen ein kleines Loch. Sie kippte den zähen Inhalt des Napfs hinein, schob die Erde wieder darüber und klopfte sie fest. Lea beobachtete das Schauspiel verwundert, vergaß darüber sogar für ein paar Minuten ihre Angst. Was tat sie da? Mit zwei Schritten war die Frau
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