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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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reichte sie ihm. Er hielt sie ins Licht und winkte den Polizisten, näher zu treten. Für Harry, der ganz hinten stand, sah es aus, als wäre der Beutel leer.
    »Hier drin«, erklärte Clarke, »haben wir eine Augenkappe. Können Sie sie sehen? Sieht aus wie eine große Kontaktlinse. Einbalsamierer verwenden solche Kappen, damit die Augen geschlossen bleiben und der Verstorbene aussieht, als würde er friedlich schlafen.« Er griff mit einer behandschuhten Hand in den Beutel und holte die durchsichtige Plastikscheibe heraus. »Die hier haben wir im Schädel von Nummer eins gefunden«, sagte er. »Sie dürfte mit Klebstoff auf dem Auge befestigt gewesen sein, um das Lid geschlossen zu halten.« Er steckte die Kappe wieder in den Beutel und gab ihn seiner Assistentin zurück.
    »Außerdem haben wir Drahtreste im Kiefer gefunden«, fuhr er fort. »Sie entsprechen der Sorte Draht, die Einbalsamierer benutzen, um die Lippen geschlossen zu halten. Und wenn Sie sich den Schädel ansehen, Gentlemen –« Er trat wieder zu dem Leichnam auf der Bahre. Die anderen folgten und drängten sich um das Kopfende. Harry trat gerade nahe genug heran, um guten Willen zu zeigen. Clarke wies auf die Schädelfragmente hin, die sich vom Kopf gelöst hatten. »Wenn Sie genau hinschauen«, sagte er, »dann können Sie die Stellen sehen, wo der Schädel anscheinend zusammengeklebt wurde. Eine Verletzung auf diese Weise zu reparieren ist das klassische Vorgehen beim Einbalsamieren. Es geht nur darum, den Leichnam zu erhalten und dafür zu sorgen, dass er während der Tage vor der Beerdigung für die Angehörigen so ansehnlich wie möglich ist. Interessanterweise weist dieser Leichnam als einziger Einbalsamierungsspuren auf. Wir schicken natürlich Gewebeproben zur Analyse. Formaldehyd ist ein ziemlich ekliges Zeug, hält sich meistens eine ganze Weile.«
    Clarke trat von dem Leichnam zurück, zog sich die Handschuhe aus und ließ sie in einen Sondermüllbehälter fallen. Dann zog er ein neues Paar aus einem Spender. »Wir können auch eine DNA -Analyse machen, um ganz sicher zu sein«, meinte er und zog die Handschuhe an. »Man hat mir gesagt, die Eltern kommen heute Vormittag her, aber wenn Sie mich fragen, ich bin mir zu fünfundneunzig Prozent sicher, dass das hier die kleine Lady ist, deren Grab gestern Nacht beschädigt wurde. Das hier ist Lucy Pickup.«
    Niemand sagte etwas. Über ihren Köpfen ließen die Ventilatoren der Klimaanlage auf eine Kühle schließen, die Harry einfach nicht fühlte.
    »Schön«, sagte Clarke, und fast rechnete Harry damit, dass er sich die Ärmel hochkrempelte. »Damit wäre der einfache Teil erledigt. Jetzt schauen wir uns mal ihre beiden Freunde an.«
    DS Russell schielte rasch zu Harry hinüber, als frage er sich, wie dieser wohl auf Respektlosigkeiten reagieren würde. Harry schaute zu Boden. Als er wieder aufblickte, hatte der Pathologe sich der zweiten Bahre zugewandt. Die anderen scharten sich um ihn.
    »Dieses Kind ist doch fast genauso groß«, meinte der Detective Inspector. »Wie sicher kann man sich da sein, dass das nicht Lucy Pickup ist?«
    »Dieser Leichnam hat keine zehn Jahre in der Erde gelegen«, antwortete Clarke, ohne auch nur eine Denkpause einzulegen. »Es würde mich überraschen, wenn er länger als ein paar Monate vergraben gewesen wäre.« Harry trat näher, und DS Russell machte einen Schritt zur Seite, um ihn an die Bahre zu lassen.
    »Bei Nummer drei ist es genauso.« Clarke zeigte auf die dritte Bahre. »Sehen Sie?«
    »Überhaupt nicht skelettiert«, stellte Rushton fest. »Sie haben ja noch Haut. Sie sehen …«
    »Vertrocknet aus?«, suggerierte Clarke und nickte. »Sollten sie auch. Sie sind mumifiziert.«
    Harry blickte von einem Kind zum anderen. Sie waren völlig vertrocknet, genau wie der Pathologe gesagt hatte, als hätte irgendetwas jegliche Feuchtigkeit aus ihren Körpern gesaugt. Die Haut war verschrumpelt und so dunkel wie altes Leder, wie Frischhaltefolie spannte sie sich über die kleinen Knochen. Die Kopfhaut war noch behaart, an den Händen waren winzige Fingernägel. »Unzerstörbar«, murmelte er vor sich hin.
    »Da sind ja gar keine Stoffstreifen«, meinte DS Russell. »Ich dachte, Mumien werden in Stoffstreifen eingewickelt.«
    »Sag was von Mumien, und jeder denkt ans alte Ägypten«, brummte Clarke. »Aber genau genommen ist eine Mumie einfach nur ein Leichnam, dessen Haut und Organe dadurch erhalten geblieben sind, dass sie Chemikalien, extremer Kälte

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