Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
Vom Netzwerk:
wie der Rest von ihm, und anscheinend hatte er keine Wimpern. Der andere Detective schien ein oder zwei Jahre jünger zu sein und war kräftig gebaut. Keiner von beiden sah so unbehaglich aus, wie Harry zumute war. Vielleicht hatten sie einfach mehr Übung darin, es zu verbergen.
    »Ich habe den Bericht des Gerichtsmediziners erhalten, der Lucy Pickups Leiche damals untersucht hat«, dozierte Raymond Clarke weiter und drehte sich zu einem Laptop um. Er schälte sich den Latexhandschuh von der rechten Hand und ließ mit einem Tastendruck den Bildschirm zum Leben erwachen. »Ist alles da, falls jemand es sich ansehen möchte. Darin ist von einem stumpfen Schädeltrauma im Bereich des rechten hinteren Quadranten die Rede, vor allem parietal und okzipital, verursacht durch einen Sturz aus fünf Metern Höhe auf massive Steinplatten. Dislozierte Schädelfrakturen haben zu erheblichen Blutungen im Schädelinneren geführt, und die Wucht des Aufpralls dürfte schwere, destruktive Erschütterungen des Gehirns bewirkt haben. Der Tod müsste fast augenblicklich eingetreten sein.«
    Rushton und der größere der beiden Detectives traten näher an Clarke heran. All drei studierten den Bildschirm des Laptops. Harry blieb, wo er war. Er wusste bereits, wie Lucy ums Leben gekommen war. Sie war von der Empore gefallen, war in der Kirche zu Tode gestürzt, und ihr kleiner Schädel …
    Jetzt sah er diesen Schädel mit eigenen Augen vor sich. Der Pathologe konnte sich so viel Zeit lassen, wie er wollte, Harry wusste, dass dies Lucy war. »Zusätzlich«, erläuterte Clarke gerade, »war das Rückenmark an zwei Stellen durchtrennt, zwischen dem dritten und vierten Lendenwirbel und ein wenig höher, zwischen dem fünften und sechsten Brustwirbel. Außerdem lag eine Oberschenkelschaftfraktur vor, rechts.« Er wandte sich von dem Computer ab, begegnete ganz kurz Harrys Blick und trat dann wieder an die Bahre. »Wenn wir den Kopf unserer kleinen Miss betrachten«, sagte er, »und, ja, ich denke allmählich auch, dass es eine kleine Miss war, dann können wir das Ausmaß des Schädeltraumas gut erkennen.« Clarke zog seinen Handschuh wieder an, schob die Hand unter den Schädel und drehte ihn so, dass sein Publikum sehen konnte, wo die Schädelknochen eingedrückt waren. »Diese Verletzungen stimmen durchaus mit einem Sturz aus beträchtlicher Höhe überein«, meinte er. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, die Wirbelsäule richtig zu untersuchen, aber wenn wir uns das rechte Bein anschauen, dann ist der Bruch des Oberschenkelknochens deutlich sichtbar. Sehen Sie?«
    »Könnte das gestern Nacht passiert sein?«, erkundigte sich der stämmigere der beiden Detectives. Ein Sergeant, dachte Harry. Ein Sergeant namens Russell. Luke Russell.
    »Ist nicht unmöglich«, erwiderte Clarke. »Aber wenn Sie sich die Röntgenbilder von der Autopsie des Gerichtsmediziners ansehen, verlaufen die Frakturlinien sehr ähnlich. Nachher röntgen wir noch mal. Wir können die Aufnahmen vergleichen, zur Sicherheit.«
    »Wenn an dem Leichnam eine Autopsie durchgeführt wurde«, wollte der große, dürre Detective wissen, den Harry für den ranghöheren der beiden hielt, »wäre das nicht deutlich zu erkennen? Muss man dabei nicht den Brustkorb aufschneiden und die Organe herausnehmen?«
    »Ja, in der Tat«, bestätigte Clarke. »Zu einer in- und externen Autopsie gehört es, dass man die Rippen durchtrennt und die Vorderseite des Brustkorbs abhebt. Die inneren Organe werden herausgenommen, untersucht, in einen Beutel für biologische Gefahrenstoffe gesteckt und wieder in die Brusthöhle gelegt. Die Schädeldecke wird abgesägt, damit das Gehirn untersucht werden kann. Alles schwer zu übersehen.«
    »Also …«
    »Unglücklicherweise hilft uns das hier nicht besonders, weil bei Lucy Pickup keine komplette Autopsie durchgeführt wurde, sondern nur eine externe. Es ist immer ein bisschen eine Ermessensentscheidung, ob man das volle Programm durchzieht und den Leichnam aufschneidet. Die Todesumstände werden in Betracht gezogen, oft berücksichtigt man auch die Wünsche der Angehörigen. Ich würde sagen, der Kollege hat damals beschlossen, dass es nicht nötig war, alle Register zu ziehen. Was wir hier allerdings haben, sind Anzeichen dafür, dass sie einbalsamiert wurde.«
    Clarke wandte sich an eine seiner Assistentinnen. »Geben Sie mir doch bitte mal den Plastikbeutel da, Angela.« Die ältere der beiden nahm eine durchsichtige Plastiktüte vom Tresen und

Weitere Kostenlose Bücher